Freie Presse u.a., 24.10. 99

Scharping warnt Grüne vor Debatte um Panzerlieferung

Hamburg (dpa) - Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping hat die Grünen vor weiteren Debatten um die Panzerlieferung für die Türkei gewarnt.

Gleichzeitig verteidigte Scharping in der «Magdeburger Volksstimme» die Entscheidung des Bundessicherheitsrates, der Türkei einen Leopard-Panzer zu Testzwecken zu liefern.

Die Grünen wollen nun die Öffentlichkeit gegen die von der Regierung geplante Lieferung mobilisieren. Das genaue Vorgehen sei vom Verlauf des Koalitionsgesprächs am Montagabend abhängig, erklärte der Bundesgeschäftsführer Reinhard Bütikofer am Freitag in Berlin. Für die Grünen sei «der entscheidende Gesichtspunkt in dieser Frage..., dass unter den gegebenen Menschenrechtsbedingungen in der Türkei die 1 000 Leopard-Panzer nicht dorthin geliefert werden dürfen».

Die Sozialdemokraten wollen am Montagabend über eine angeblich geplante Unterschriftenaktion der Grünen gegen die Panzerlieferung reden. Massive Kritik kam bereits vom Vorsitzenden der SPD- Bundestagsfraktion, Peter Struck. «Es macht keinen Sinn, gegen die eigene Regierung Unterschriften sammeln zu wollen», sagte Struck am Freitag im ZDF.

Der niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Glogowski (SPD) warnte die Grünen vor einem «Spiel mit dem Feuer». Glogowski sagte der in Berlin erscheinenden Tageszeitung «B.Z.» (Samstagausgabe), er sehe in einer Unterschriftensammlung einen «unfreundlichen Akt gegenüber der Koalition».

Der in Rede stehende milliardenschwere Auftrag hat für Glogowski «zudem eine erhebliche arbeitsmarktpolitische Bedeutung». Sofern sichergestellt werde, dass die deutschen Waffen nicht im Kurden- Konflikt zum Einsatz kommen, vermöge er keinen Grund zu erkennen, der gegen einen Export spreche. «Wenn wir auf diese Weise einen Beitrag dazu leisten können, dass das kurdische Volk eine eigene Lebenschance bekommt, wäre dies sogar eine friedensstiftende Tat», meinte Glogowski.

Das Grünen-Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages, Helmut Lippelt, sagte der «Thüringer Allgemeinen» (Samstagausgabe), der Parteivorstand habe nicht von einer Unterschriftenkampagne, sondern einer Kampagne gesprochen. Ziel sei die Aufklärung der Bevölkerung.

Scharping und Lippelt betonten, der Streit sei keine Koalitionsbruchstelle. Der Verteidigungsminister unterstrich aber erneut die Notwendigkeit des Exports: «Man kann nicht auf der einen Seite die Türkei als einen Nato-Partner von strategischer Bedeutung ansehen und sie in die Runde der Beitrittskrandidaten der Europäischen Union aufnehmen, wenn man auf der anderen Seite mit der Türkei nicht kooperiert.»

Unter Berufung auf ein internes Papier von Scharpings Ministerium schreibt die «Berliner Morgenpost» (Samstagausgabe), das Verteidigungsministerium sehe die Grünen, speziell aber Außenminister Joschka Fischer, als Störer möglicher Rüstungsgeschäfte. Sie würden die Bundesrepublik unberechenbar und dadurch unglaubwürdig machen und auch zivile Exporte gefährten, heiße es in dem Papier.