yahoo, 23. Oktober 1999, 17:51 Uhr

Beisetzung Kislalis gerät zu Demonstration gegen Islamismus

Tausende von Offizieren und führende Politiker erwiesen dem ermordeten Publizisten letzte Ehre - Hunderttausende bei Trauerfeier

Ankara (AP) Die Beisetzung des am Donnerstag ermordeten türkischen Publizisten und Politologen Ahmet Taner Kislali ist am Samstag zu einer machtvollen Demonstration gegen den islamischen Extremismus geraten. Hunderttausende von Menschen, darunter fast die gesamte politische Führung des Landes, erwiesen dem angesehenen Journalisten und früheren Kulturminister bei einer Kundgebung vor dem Parlament und anschließenden Trauerzug durch die Straßen Ankaras die letzte Ehre. An der Trauerzeremonie in der Kocatepe-Moschee der türkischen Hauptstadt nahmen Tausende von Offizieren der Streitkräfte teil.

Schon die Kundgebung vor dem Gebäude der Großen Nationalversammlung gestaltete sich zu einer Demonstration gegen den islamischen Fundamentalismus und für die Trennung von Staat und Religion in der Türkei. Die versammelte Menge rief: «Die Türkei ist ein weltlicher Staat und wird es bleiben.» Eine separate akademische Trauerfeier fand in der Universität von Ankara statt. An ihr nahmen Studenten und die Kollegen des Toten teil.

Kislali war am Donnerstag einem Bombenanschlag zum Opfer gefallen, der von Regierung und Polizei islamischen Fundamentalisten angelastet wird. Der 60-jährige Kislali war als ein strikter Verfechter der säkularen Verfassung der Türkei bekannt. In seiner ständigen Kolumne in der linksliberalen Tageszeitung «Cumhuriyet» griff er die islamischen Extremisten immer wieder an. Er gehörte der sozialdemokratisch orientierten Republikanischen Volkspartei (CHP) an, für die er von 1977 bis 1980 auch im Parlament saß. Der CHP-Vorsitzende Altan Öymen sagte bei der Trauerkundgebung am Samstag: «Millionen von Menschen folgen seinem Weg». Die radikalen Islamisten «werden uns nicht furchtsam machen». An der Zeremonie nahmen unter anderem Staatspräsident Süleyman Demirel, Ministerpräsident Bülent Ecevit und die Regierungsmitglieder teil.