fr, 23.10.99

Genugtuung bei vielen Grünen: Es wird Flagge gezeigt

Ankündigung einer außerparlamentarischen Kampagne gegen einen Testpanzer für die Türkei findet Widerhall

Von Vera Gaserow (Berlin)

Grünen-Bundesgeschäftsführer Reinhard Bütikofer hatte die vage Ankündigung, seine Partei würde nun auch außerparlamentarisch gegen den Export des "Probepanzers" in die Türkei mobilisieren, kaum ausgesprochen, da klingelte im Berliner Landesverband der Grünen schon das Telefon. Wo denn die Flugblätter gegen den Waffendeal abzuholen seien und wo Unterschriftenlisten auslägen, wollte die Anruferin wissen. Mit innerer Genugtuung scheint die Basis der Grünen derzeit aufzusaugen, dass ihre Partei in der Koalition endlich einmal Flagge zeigt.

"Angenehm überrascht" reagierten beispielsweise die Berliner Grünen, "dass unser Bundesgeschäftsführer nun mit außerparlamentarischen Aktionen droht". "Die Panzer stehen als Synonym dafür , dass wir als Koalitionspartner nicht ernst genommen werden", sagt der Landesvorsitzende Andreas Schulz. "Wenn am Montagabend in der Koalitionsrunde zwischen SPD und Grünen die Entscheidung nicht zurückgedreht wird, dann: nur zu! Dann sind wir bei außerparlamentarischen Aktionen dabei".

"Es ist gut, dass die Grünen auf Bundesebene so eindeutig darauf reagieren, wenn der große Koalitionspartner eine solch fatale Entscheidung fällt", meint auch Barbara Steffens, Vorsitzende des mitgliederstärksten grünen Landesverbands Nordrhein-Westfalen. Eine andere Reaktion der Bundesgrünen hätte den NRW-Grünen ein gutes halbes Jahr vor den Landtagswahlen auch kräftig Wind ins Gesicht geblasen, denn der geplante Testlauf für das Rüstungsgeschäft mit der Türkei stößt hier besonders bei kirchlichen Gruppen auf Empörung. Zahlreiche Kirchengemeinden in NRW beherbergen schon seit Monaten kurdische Familien im Wanderkirchenasyl und sind damit auf breites öffentliches Echo gestoßen. Eine Panzerlieferung mit grünem Segen an den Staat, der für die Flucht und die Notsituation dieser Familien verantwortlich ist, stieße bei den Kirchengruppen auf einhellige Ablehnung. "Die Grünen müssen diesen Konflikt hart fahren", plädiert die NRW-Vorsitzende Steffens, "nicht um die Koalition aufs Spiel zu setzen, sondern um in der Sache etwas zu erreichen, nämlich die Lieferung der 1000 Panzer an die Türkei zu verhindern."

Unter der Überschrift "Panzer für die Türkei?! Kurz gesagt: Uns reichts!" werden Außenminister Joschka Fischer, die grüne Bundestagsfraktion und der Parteivorstand jetzt Post von den eigenen Parteifreunden bekommen. Darin lobt der Kreisverband der Bielefelder Grünen die Parteioberen für ihr entschiedenes Nein zum Probepanzer, "Wir wollen Euch ausdrücklich den Rücken stärken". Wenige Sätze weiter wird der Brief jedoch zum Wink mit dem Ende der Fahnenstange: "Wir haben die Kosovo-Entscheidung mitgetragen, diskutieren nach wie vor solidarisch über das Sparpaket, mäkeln nicht ununterbrochen am stockenden AKW-Ausstieg herum, wir werben öffentlich für Geduld und Verständnis für die Begrenzungen, denen eine kleine Regierungspartei unterliegt." Aber, so schliesst der Brief: "Wir werden eine Panzerlieferung an die Türkei nicht rechtfertigen. Sollte dies ein Ergebnis rot-grüner Regierungspolitik sein: Verlasst Euch nicht mehr auf uns!". Rückendeckung für die angekündigte Mobilisierung bekamen die Grünen am Freitag von unaufgeforderter Seite. PDS-Fraktionsvorsitzender Gregor Gysi kündigte an: "Wir unterstützen die Kampagen der Grünen und hoffen, dass sie nicht wieder umfallen."