jw, 23.10.99

Türkei erhält auch Kampfhubschrauber

Grüne kündigen außerparlamentarische Aktionen gegen den Rüstungsdeal an

Wenige Tage nach der Entscheidung des Bundessicherheitsrates, der Türkei einen Kampfpanzer vom Typ Leopard zu »Testzwecken« zu liefern, verstärken sich die Auseinandersetzungen um diesen Rüstungsdeal. Bundeskanzler Gerhard Schröder und Verteidigungsminister Rudolf Scharping verteidigten das Projekt. Schröder sagte dem in Berlin erscheinenden »Tagesspiegel« (Freitagausgabe), er halte die Argumente gegen die Testlieferung für »hergeholt«. Die Türkei sei NATO-Mitglied und solle eine Perspektive für Europa erhalten. Zudem habe Ankara auch das Vorgängermodell, den Leopard I, von Deutschland geliefert bekommen.

Verteidigungsminister Scharping betonte in einem Interview der »Berliner Morgenpost« vom Freitag, er halte die Entscheidung des Bundessicherheitsrates zur Testlieferung für richtig. Man könne nicht auf der einen Seite die Türkei in den Kreis der EU-Beitrittskandidaten aufnehmen wollen und dann Vertragstreue und Bündnisfähigkeit der Türkei in Zweifel ziehen.

Grünen-Bundesgeschäftsführer Reinhard Bütikofer kündigte hingegen gestern an, daß die Grünen »gesellschaftliche Gruppen und Instanzen« gegen das Vorhaben mobilisieren wollten. Die Unterschriftenkampagne der Union gegen die doppelte Staatsbürgerschaft habe gezeigt, wie wirksam solche Aktionen sein könnten, betonte Bütikofer.

Auch in der SPD gibt es weiter Widerstand gegen die Testlieferung. Der SPD-Europaparlamentarier Willy Piecyk nannte sie im Deutschlandfunk am Freitag ein »falsches Signal«. Der Beschluß konterkariere den Kurs der EU in der Türkeipolitik und widerspreche sozialdemokratischen Grundsätzen zur Rüstungsexportpolitik. Piecyk gehört zu den 20 Europaparlamentariern der SPD, die am Donnerstag die Rücknahme der Entscheidung gefordert hatten. Piecyk kündigte an, daß die Panzerlieferung den SPD-Parteitag im Dezember beschäftigen werde. Um den Beschluß des Bundessicherheitsrates zu korrigieren, setze die Parteilinke der Sozialdemokraten »zunächst mal auf Argumente«, fügte Piecyk hinzu.

Die Türkei soll nach Informationen der Neue Ruhr/Neue Rhein Zeitung vom Freitag auch ein Testmodell des Kampfhubschraubers Tiger erhalten. Das berichtet das Blatt unter Berufung auf den Bundessicherheitsrat in Berlin, der dies bereits vor der Entscheidung über die Lieferung des Panzers Leopard II in geheimer Sitzung beschlossen habe. Der Hubschrauber sei eine deutsch- französische Gemeinschaftsproduktion. Die Verträge sähen vor, daß solche Rüstungsgüter geliefert werden müssen, sofern einer der Vertragspartner dies wünsche. Der Tiger gilt als einer der besten Kampfhubschrauber der Welt.

Auch Amnesty International protestierte gegen die Waffenlieferungen. In einer Erklärung vom Freitag heißt es: »Die Lieferung des Leopard ist das falsche Signal an die türkische Regierung. Auch wenn es sich >nur< um einen Panzer für Testzwecke handelt: Die Bundesregierung unterstützt damit symbolisch das türkische Militär - ein Militär, das sich schwerer Menschenrechtsverletzungen schuldig gemacht hat.«

Der Rüstungsindustrie geht die aktuelle Entscheidung offenbar nicht weit genug. Die am Leopard-Bau beteiligte Firma MaK in Kiel kritisierte den Beschluß des Sicherheitsrats als zu zögerlich. »Uns drohen Auftragslöcher«, sagte MaK-Chef Gert Winkler den Kieler Nachrichten (Freitagausgabe).