fr, 23.10.99

Streit über Testpanzer nimmt an Schärfe zu

Schröder hält Grünen-Argumente für "hergeholt"

Der Streit zwischen SPD und Grünen wegen der Überlassung eines Testpanzers an die Türkei wird schärfer. Bundeskanzler Gerhard Schröder und SPD-Fraktionschef Peter Struck wiesen die Kritik der Grünen zurück. Der kleinere Koalitionspartner, der eine Unterschriftenaktion nach CDU-Muster angedroht hatte, macht sein weiteres Vorgehen vom Koalitionsgespräch am Montag abhängig.

BERLIN, 22. Oktober (rtr/dpa/ap/vgo). Bundeskanzler Schröder ließ im Berliner Tagesspiegel Kritik an Außenminister Joschka Fischer (Grüne) erkennen. Argumente gegen Panzerexporte halte er für "hergeholt". Die Türkei habe als Nato-Mitglied bereits den "Leopard 1" erhalten; mit der Lieferung des "Leopard 2" solle sie eine Perspektive für Europa erhalten.

Auch Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) warf Fischer Widersprüchlichkeit vor. "Wir können nicht auf der einen Seite Außenminister Joschka Fischer folgen, der die Türkei in den Kreis der EU-Beitrittskandidaten aufnehmen möchte, und auf der anderen Seite die Vertragstreue und Bündnisfähigkeit der Türkei in Zweifel ziehen", sagte er der Berliner Morgenpost.

Grünen-Bundesgeschäftsführer Reinhard Bütikofer kündigte in der tageszeitung eine Unterschriftenaktion gegen die Lieferung von Panzern in die Türkei an. SPD-Fraktionschef Struck kommentierte im ZDF, es habe keinen Sinn, "gegen die eigene Regierung Unterschriften sammeln zu wollen". Das wäre "in der Tat eine Belastung der Koalition, die man tunlichst vermeiden sollte". Er glaube an eine Verständigung am Montag. Bütikofer sagte später, das genaue Vorgehen hänge vom Verlauf des Koalitionsgesprächs ab.

In der Grünen-Fraktion zeigte man sich skeptisch, ob eine Kampagne gegen die SPD weiterhelfe. In der Sache stimmten Fraktion und Parteispitze aber überein. Panzer für die Türkei würden angesichts schwerer Menschenrechtsverletzungen und gültiger Koalitionsabsprachen einhellig abgelehnt. Fraktionschef Rezzo Schlauch hatte Schröder angekündigt, dass es so nicht mehr weitergehe.

Der Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe, Gerd Poppe (Grüne), sieht "keinen Grund für einen Eklat, aber eine Belastung für die Koalition". Im Gespräch mit der FR sprach er sich strikt gegen die Entsendung eines "Probepanzers" aus. Die Türkei solle "in Europa eine Perspektive erhalten, aber nicht um jeden Preis. Eine Bedingung ist, dass die türkische Regierung in den Dialog mit den Kurden eintritt." Poppe widersprach Schröder, der argumentiert hatte, man könne dem Nato-Mitglied Türkei die Waffenlieferung nicht verweigern. Poppe dazu: "Man kann keinen Automatismus in Gang setzen, nur weil die Türkei Nato-Partner ist."

Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wiezcorek-Zeul (SPD), die mit Fischer gegen den Testpanzer für die Türkei gestimmt hatte, bekräftigte, dass Waffenexporte nicht losgelöst von Menschenrechtsfragen betrachtet werden dürften.

Wie am Freitag bekannt wurde, hat die Türkei ein Testmodell des Kampfhubschraubers "Tiger" erhalten. Er sei als deutsch-französisches Gemeinschaftsprodukt von Frankreich in die Türkei gebracht worden, hieß es in Berlin. Der "Tiger" sei erst in drei Jahren einsatzfähig.