HANDELSBLATT, 22.10.1999

Regierung geht angeblich von Lieferung der USA an die Türkei aus

Grüne sehen in Panzerstreit Belastungsprobe für die Koalition

ap BERLIN. Die Zustimmung der Bundesregierung zur Lieferung eines Testpanzers vom Typ Leopard 2 an die Türkei stößt bei den Grünen auf Unverständnis. Ihr Rechtspolitiker Christian Ströbele sprach von einer "schweren Belastungsprobe für die Koalition". Die Bundesregierung rechnet angeblich damit, dass die USA den Zuschlag für die Lieferung von 1 000 Panzern bekommt. Der CDU-Europaabgeordnete Armin Laschet kritisierte die Haltung von Bundesaußenminister Joschka Fischer als "sehr unglaubwürdig".

Der Bundessicherheitsrat hatte am Mittwoch gegen die Stimmen der Grünen und von Teilen der SPD entschieden, dem Nato-Partner einen Leopard 2 für Vergleichstests für ein Jahr zur Verfügung zu stellen. Danach soll über weitere Aufträge entschieden werden.

Der Bundestagsabgeordnete der Grünen, Ströbele, sagte der Kölner Tageszeitung "Express" (Donnerstagausgabe), die Zustimmung sei ein klarer "Verstoß gegen den Koalitionsvertrag". Waffenlieferungen an ein Land, das Bürgerkrieg führe, könne es mit seiner Partei nicht geben.

Die verteidigungspolitische Sprecherin der Grünen, Angelika Beer, warf Bundeskanzler Gerhard Schröder in der ZDF-Sendung "heute-nacht" vor, sich nicht "an die selbst unterzeichneten Vorschläge und Programmpunkte" zu halten.

Kritik an der Lieferung kam auch vom Internationalen Verein für Menschenrechte der Kurden in Bonn. Wer glaube, Menschenrechtsfragen bei der Lieferung eines einzigen Panzers ausblenden und nachher immer noch den "Waffendeal" mit der Türkei stoppen zu können, "ist an Blauäugigkeit oder an bewusster Täuschungsabsicht kaum noch zu überbieten", erklärte die Organisation.