jw, 21.10.99

Rot-grüner Leo für die Türkei

Bundessicherheitsrat billigt Lieferung eines Testpanzers. jW-Bericht

Nach mehrmaliger Verschiebung hat der Bundessicherheitsrat am Mittwoch der Lieferung eines »Testpanzers« vom Typ Leopard II an die Türkei zugestimmt. Dafür votierten neben Kanzler Gerhard Schröder auch Wirtschaftsminister Werner Müller und Verteidigungsminster Rudolf Scharping. Die Gegenstimmen kamen von Außenminister Fischer und der Ministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Heidemarie Wieczorek-Zeul. Zugleich soll der Regierung in Ankara mitgeteilt werden, daß die Überlassung des hochmodernen Panzers keinerlei Vorentscheidung für den Verkauf weiterer Panzer sei. Dieser vermeintlichen Beschränkung der Entscheidung mag die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses des Bundestages, Claudia Roth (Grüne), keinen Glauben schenken. »Man beteiligt sich doch nicht an einer Ausschreibung und liefert einen Prototyp wenn man nicht die Absicht hat, das große Geschäft zu machen«, erklärte sie am Mittwoch nach der Entscheidung gegenüber jW. Mit dieser »symbolischen Lieferung« hätte das Gremium die Tür für den Rüstungsexport <Bild: Abbildung> in die Türkei »sperrangelweit geöffnet«. (Foto: Leopard II zu »Testzwecken« - die Rüstungsschmiede Krauss-Maffei/Wegmann wird's schon mal freuen)

Sie bezeichnete das Votum als »schwarzen Tag« und eine »schwere Krise« für die rot-grüne Koalition. Eine unmittelbare Gefahr für den Fortbestand des Regierungsbündnisses sehe sie allerdings »derzeit noch nicht«. Zu den Motiven der Verfechter des Rüstungsdeals äußerte sie, Schröder sei ja dafür bekannt, daß er sich »im Zweifelsfall immer für die Interessen der Wirtschaft entscheiden« würde, und bei Bundesverteidigungsminister Scharping dürften »geostrategische Interessen in bezug auf den NATO-Partner Türkei im Mittelpunkt« stehen.

Doch auch bei der SPD gibt es deutliche Kritik an dem Geschäft. Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Gernot Erler bezeichnete vor der Sitzung die geplante Lieferung von Panzern an die Türkei als »falsches Signal« zu einer Zeit, in der die EU ein Ende der Menschenrechtsverletzungen und des Kurdenkrieges fordere. Mit der Entscheidung, lediglich einen Panzer zu Testzwecken zu liefern, könne er allerdings leben, erklärte er am Nachmittag gegenüber jW. »Ich sehe in der Entscheidung kein Präjudiz.« Da die Türkei jetzt mehrere Panzer für mindestens zwölf Monate testen wolle, würde die endgültige Entscheidung über eine Lieferung von 1 000 Leopards erst danach anstehen. Es sei auch nicht auszuschließen, daß sich die Menschenrechtssituation in der Türkei bis zu diesem Zeitpunkt »erheblich verbessert« hätte.

Die PDS äußerte sich entrüstet. Wenn der Bundessicherheitsrat der Lieferung eines Testexemplars zustimme, werde »mit Sicherheit auch das Rüstungsgeschäft selbst folgen«, erklärte Fraktionsvize Wolfgang Gehrcke in Berlin. Die Abgeordneten von SPD und Grünen, die dieses Geschäft nicht wollten, seien daher schlecht beraten, wenn sie »die Entsendung auch nur eines Testpanzers« billigten.

Unterstützung kam dagegen von der CDU. Deren außenpolitischer Fraktionssprecher, Karl Lamers, unterstrich, daß es gerade die Politik von Außenminister Joseph Fischer (Grüne) sei, Ankara einen offiziellen Status als Kandidat für eine EU-Mitgliedschaft zu geben. Dann könne man nicht auf der anderen Seite die Türkei »nicht für vertrauenswürdig halten, ihr Waffen zu liefern«, sagte der CDU-Politiker. Dies sei ein Widerspruch in sich. Auch sprächen die bisherigen Erfahrungen dagegen, daß die Lieferung oder Nicht- Lieferung von Waffen einen Einfluß auf das Verhalten der Türkei in der Frage der Menschenrechte habe.