nzz, 21.10.99

Lieferung eines deutschen Panzers an die Türkei

Schröder setzt sich über Bedenken in der Koalition hinweg

Der deutsche Bundessicherheitsrat hat die Lieferung eines Leopard-II-Panzers zu Testzwecken an die Türkei genehmigt. Die Stimme von Bundeskanzler Schröder gab bei der Abstimmung, bei der der Aussenminister ein Nein einlegte, den Ausschlag. Die Grünen streben daher eine Änderung der Richtlinien für den Waffenexport an.

Ko. Bonn, 20. Oktober

Der deutsche Bundessicherheitsrat, ein stets geheim tagender Kabinettsausschuss, hat sich am Mittwoch mit knapper Mehrheit für die Lieferung eines Panzers vom Typ Leopard II an die Türkei ausgesprochen und sich damit über massive Bedenken beim grünen Koalitionspartner und beim linken Flügel der SPD-Fraktion hinweggesetzt. Der Panzer soll der türkischen Armee zu Testzwecken dienen. Der deutsche Rüstungskonzern Krauss-Maffei Wegmann bemüht sich nämlich um einen Grossauftrag von 1000 Panzern, den die Türkei international ausgeschrieben hat. Ausser der deutschen Firma bewerben sich amerikanische, französische, italienische und ukrainische Konkurrenten um das Panzergeschäft. Ein gleichzeitig zur Entscheidung anstehender Export von Haubitzenteilen an die Türkei lehnte der Bundessicherheitsrat hingegen ab.

Aussenminister Fischer überstimmt

Im Bundessicherheitsrat gab, wie aus Berliner Regierungskreisen verlautet, die Stimme von Bundeskanzler Schröder den Ausschlag. Der sozialdemokratische Verteidigungsminister Scharping und der parteilose Wirtschaftsminister Müller hatten sich von Anfang an für die Lieferung ausgesprochen; Aussenminister Fischer (Grüne) und die dem linken SPD-Flügel angehörende Entwicklungsministerin Wieczorek-Zeul stimmten gegen den Waffenexport. Fischer sah in dem Beschluss der Ministerrunde vor allem ein falsches Signal im Vorfeld der Entscheidung des EU-Gipfels von Helsinki über den Status der Türkei als Beitrittskandidat. Wie die anderen Gegner des Rüstungsgeschäfts verwies auch der Aussenminister auf die unverändert kritische Menschenrechtssituation im Land am Bosporus.

Im Kanzleramt wird geltend gemacht, dass mit der Lieferung eines Prototyps zu Versuchszwecken noch keine Vorentscheidung über die Lieferung von Panzerteilen und die Vergabe einer Lizenz für den Bau der von der Türkei gewünschten 1000 Panzer getroffen sei; bei der endgültigen Entscheidung, hiess es, werde selbstverständlich auch die Menschenrechtssituation in der Türkei berücksichtigt. Diese Auffassung vertrat auch der dem Waffengeschäft grundsätzlich ablehnend gegenüberstehende stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Erler. Die gegenteilige Ansicht äusserte die verteidigungspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Beer. Mit dem Votum der Regierung sei auch eine Vorentscheidung über das gesamte Geschäft gefallen. Beer zeigte sich entsetzt über Schröders Haltung und wertete sie als Verstoss gegen die Koalitionsvereinbarung. Der Bundesgeschäftsführer der Grünen, Bütikofer, sprach von einer Fehlentscheidung.

Grüne für künftige Parlamentsbeteiligung

Gegen den Beschluss der Regierung hat das Parlament keine Einsprachemöglichkeit. Es kann die Entscheidung der Regierung allenfalls kritisieren, nicht aber verhindern. Es ist allerdings, wie den Worten Beers zu entnehmen war, eine Trübung des Koalitionsklimas zu erwarten. Die Grünen wollen sich zudem für eine Revision der zurzeit geltenden Rüstungsexport-Richtlinien stark machen und dem Bundestag zu einem Mitspracherecht verhelfen.