jw, 21.10.99

Rollkommando im Standesamt

Couragiertes Eingreifen verhinderte in Emden Abschiebung eines minderjährigen Kurden

Eigentlich sollte es ein schöner Tag werden - wie Menschen, die heiraten, sich das eben vorstellen. Doch da hatten Bahattin Aslan und seine Frau Uta die Rechnung ohne die Ausländerbehörde der Stadt Emden gemacht. Die beorderte am Dienstag eine Handvoll Zivilpolizisten zum örtlichen Standesamt, um gleich nach der Trauung die Familie des Bräutigams in Abschiebehaft zu nehmen.

Und so begann der Weg in die Ehe mit tumultartigen Szenen. Bahattin Aslans 15jähriger Bruder Mehmet konnte dank des couragierten Eingreifens einiger Hochzeitsgäste seinen Häschern entkommen und befindet sich jetzt wieder im sicheren Kirchenasyl in Oldenburg. Vater Haci Aslan, Bruder Osman (20) und Schwester Gülistan (13) hatten es von vornherein vorgezogen, in Oldenburg zu bleiben. Dort lebt die kurdische Familie seit Frühjahr dieses Jahres bei der evangelischen Gemeinde Osternburg, nachdem ihre Asylanträge rechtskräftig abgelehnt wurden. Von 1992 bis 1999 hatte die Familie in Emden gelebt.

Bahattin Aslan darf mit Genehmigung der Behörden seine vor dem Abschluß des Asylverfahrens begonnene Lehre als Kfz-Mechaniker beenden. Auch über das Schicksal von Vater Aslan und seinen beiden minderjährigen Kindern Mehmet und Gülistan ist noch nicht entschieden.

Der Oldenburger Rechtsanwalt der Familie, Ekkehard Hausin, bestätigte gegenüber jW: »Beim Verwaltungsgericht Oldenburg läuft eine Klage auf Feststellung von Abschiebehindernissen aus humanitären Gründen.« Das Gericht muß erst noch entscheiden, ob das Zuckerleiden und die Herzbeschwerden von Haci Aslan in der Türkei ausreichend behandelt werden können. Erhält er vom Gericht die Genehmigung, in Deutschland zu bleiben, gilt diese auch für seine minderjährigen Kinder.

Diese Entscheidung wollte die Ausländerbehörde Emden offensichtlich nicht abwarten. In einem jW vorliegenden Schreiben vom 14. Oktober bittet die Behörde das Verwaltungsgericht Oldenburg »um kurzfristige Mitteilung über die Entscheidung, da beabsichtigt ist, die Familie Aslan am 19. 10. 1999 anläßlich einer Hochzeitsfeier des Sohnes Bahattin in Abschiebehaft zu nehmen und aufenthaltsbeendende Maßnahmen durchzuführen«. Für Rechtsanwalt Hausin ist das »ein skandalöser Versuch, gerichtliche Entscheidungen zu beeinflussen.« Das Verwaltungsgericht jedoch kam dem Drängen der Ausländerbehörde nicht nach.

Dennoch plante die Behörde gemeinsam mit Polizei und Jugendamt den Coup gegen Familie Aslan auf einer eigens anberaumten Sitzung am Vortag der Hochzeit. Haci Aslan und sein 20jähriger Sohn Osman sollten in Abschiebehaft kommen, die minderjährigen Geschwister Mehmet und Gülistan in eine Jugendeinrichtung gebracht werden.

»Eine Zivilpolizistin ging auf Mehmet zu und faßte ihn am Arm, um ihn abzuführen«, beschrieb Johanna Adickes vom Asyl-Kreis Emden die Situation vorm Standesamt. Darauf sei Mehmet mit seiner Schwägerin und einem Gast in das Gebäude zurückgelaufen und habe versucht, sich zu verstecken. Die Polizisten seien ihm gefolgt. Bedrängt von den Gästen, gelang es den Beamten nicht, Mehmet festzunehmen. Im Verlauf des Gedränges konnte der 15jährige Kurde schließlich fliehen. An Brisanz gewinnt der Polizeiüberfall auch dadurch, daß die Beamten sich nach Aussagen von Hochzeitsgästen vor der Aktion nicht als Polizisten zu erkennen gaben.

Heute will man in Emden von dem mißlungenen Unternehmen »Hochzeitsfeier« nichts mehr wissen. Die Ausländerbehörde verweigerte gegenüber jW jede Auskunft, und der Pressesprecher der Stadt meinte gar, die Polizei habe Mehmet gar nicht festnehmen wollen. Das bestätigte der stellvertretende Emdener Polizeichef Hans-Jürgen Wehmhörner, der derweil prüft, ob gegen einzelne Hochzeitsgäste Strafanzeige gestellt wird.

Jörg Hilbert