Tagespiegel, 21.10.99

Die EU verlangt, dass Waffen nur in Länder geliefert werden, die die Menschenrechte anerkennen. Ein unverbindlicher Verhaltenskodex

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Die Spötter haben anscheinend Recht. Als mit der neuen Bundesregierung das alte Organ des Bundessicherheitsrates wieder belebt wurde, orakelten einige, dieses Gremium sei nur dazu da, um Außenminister Joschka Fischer zu kontrollieren. Sollte heißen: Wenn es zu viel Menschenrecht, aber zu wenig wirtschaftliche Interessen in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik geben sollte, würde dieses Gremium schon einschreiten. Dass nun der Leopard II an die Türkei geliefert wird, hält das Hamburger Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik (IFSH) für "ein politisches Signal in die falsche Richtung".

Hans-Joachim Gießmann, Rüstungsexperte des IFSH sagt: "Was hier miteinander kollidiert ist das Kriterium der Menschenrechte mit dem der Wirtschaftsinteressen." Ausgerechnet die rot-grüne Bundesregierung, so Gießmann, setze nun "wider besseren Wissens das fort, was die Kohl-Regierung seit 1995 begonnen" habe: Der Rüstung die Priorität einzuräumen. Ärgerlich sei zudem, dass Deutschland im EU-Vergleich zwar beispielhaft sei, was die Kriterien der Kriegswaffenkontrolle angehe. "Doch diese Kriterien werden nach und nach aufgeweicht."

Am Beispiel der Türkei, findet Gießmann, sei eine solche Prioritätensetzung besonders schwierig. Schließlich bemühe sich die EU, die Türkei zur Einhaltung der Menschenrechte zu zwingen. Es sei eben widersprüchlich, so Gießmann, wenn über gesetzliche Grundlagen zur Einhaltung der Menschenrechte nachgedacht werde, zum anderen ein Land militärisch unterstützt werde, das diese Menschenrechte nach europäischen Vorstellungen nicht einhalte. Im Juni 1998 hat der Europäische Rat der EU den Verhaltenskodex der EU für Waffenausfuhren angenommen. Auch hier sieht Gießmann eine doppelte Moral. Denn einerseits sei dieser Kodex politisch für alle Unterzeichner verbindlich. "Die justiziable Umsetzung aber wiederum nicht. Jedes Land kann für sich entscheiden, wie eng sie das Kriterium Menschenrechte auslegt", beklagt der Wissenschaftler.

Im Kriterium zwei des europäischen Verhaltenskodex für Rüstungsexporte heißt es unter anderem: "Die Mitgliedsstaaten werden, nachdem sie eine Bewertung der Haltung des Empfängerlandes zu den . . .Grundsätzen in den Menschenrechtsübereinkünften vorgenommen haben, . . .keine Ausfuhrgenehmigung erteilen, wenn eindeutig das Risiko besteht, dass das zur Ausfuhr bestimmte Gerät zur internen Repression benutzt werden könnte . . ."