sz, 21.10.99

Grüne empört über Panzerlieferung an Ankara

Türkei erhält einen Leopard II zur Erprobung

Koalitionspartner weist auf Verletzung der Menschenrechte hin / Schröder: Noch keine Verkaufsentscheidung

csc/eli Berlin (Eigener Bericht) - Die Bundesregierung wird sich gegen den Willen von Außenminister Joschka Fischer an der Ausschreibung für eine Panzer- Lieferung an die Türkei beteiligen. Die Entscheidung des Bundessicherheitsrats fiel mit der Stimme von Bundeskanzler Gerhard Schröder und löste einen Konflikt in der rot-grünen Koalition aus. Deutschland wird zunächst nur einen Testpanzer vom Typ Leopard II liefern. Sollte Ankara das Modell bestellen, muss Berlin neu entscheiden. Die Grünen und Teile der SPD sehen wegen der politischen Situation in der Türkei die Glaubwürdigkeit der Bundesregierung gefährdet.

Der Bundessicherheitsrat fällte seine Entscheidung am Mittwoch in Berlin mit drei zu zwei Stimmen. Gegen die Beteiligung an der Ausschreibung für das Rüstungsgeschäft mit der Türkei votierte neben Außenminister Fischer (Grüne) auch Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD). Dafür stimmten Bundeskanzler Gerhard Schröder, Verteidigungsminister Rudolf Scharping und der parteilose Wirtschaftsminister Werner Müller. In der Umgebung des Kanzlers wurde argumentiert, dass trotz der Lieferung eines Test-Panzers vom Typ Leopard II noch keine Entscheidung über die von Ankara gewünschten 1000 Panzer gefallen sei. Sollte der Leopard II tatsächlich bestellt werden, müsse der Bundessicherheitsrat später im Lichte der dann herrschenden politischen Lage in der Türkei über die Genehmigung entscheiden. Berlin rechnet damit nicht vor dem Jahr 2001.

"Ein falsches Signal"

Ankara hat zu Vergleichszwecken aus mehreren Ländern Panzer angefordert. Der geplante Panzerkauf ist Teil eines breit angelegten Programms zur Modernisierung der türkischen Armee, für das die Militärs in den kommenden Jahren 31 Milliarden Mark ausgeben wollen. Der für Rüstungsexporte zuständige Bundessicherheitsrat lehnte aber den Wunsch der Türkei nach Einzelteilen für 125 Haubitzen ab. Die Geschütze werden in der Türkei gefertigt, Teile dafür werden aus Deutschland geliefert. Im Bundessicherheitsrat wurde argumentiert, das türkische Militär könnte die Haubitzen im Kampf gegen die Kurden verwenden, während es keine Hinweise für den Einsatz von Panzern gebe.

Schröder ließ sich von dem Argument leiten, dass dem Nato-Partner und möglichen EU-Beitrittskandidaten Türkei der Rüstungswunsch nicht verwehrt werden könne. Die Entscheidung liege in der Logik der deutschen Türkei-Politik. Fischer und das Auswärtige Amt betonten hingegen, dass die Lieferung die Türkei-Politik des Außenministers konterkariere. Die Türkei müsse sich darauf konzentrieren, die Kriterien für den Kandidaten-Status in der EU zu erfüllen. Dabei sei es wichtiger, die Ressourcen des Landes vor allem nach dem Erdbeben auf den wirtschaftlichen Aufbau zu konzentrieren. Eine Erneuerung des Panzer-Fuhrparks sei angesichts der Bedrohungslage der Türkei nicht angemessen.

Die Entscheidung löste unmittelbar Spannungen in der Koalition aus. Gleichwohl hieß es im Kanzleramt und bei den Grünen, die Koalition stehe insgesamt nicht in Frage. Die Grünen und Teile der SPD reagierten aber mit scharfer Kritik. Am kommenden Montag soll sich der Koalitionsausschuss mit dem Streit befassen. Die Fraktionschefs der Grünen, Rezzo Schlauch und Kerstin Müller, kündigten an, sie wollten den Panzerverkauf unterbinden, wenn sich die Menschenrechtssituation in der Türkei nicht grundlegend ändere.

Die Verteidigungspolitikerin der Grünen, Angelika Beer, sagte, die türkische Armee werde weder demokratisch noch parlamentarisch kontrolliert. Das Panzer-Geschäft verstoße gegen den Geist der Koalitionsvereinbarung. Grünen-Geschäftsführer Reinhard Bütikofer erklärte: "Der Kanzler merkt es vielleicht nicht, aber tatsächlich sägt er mit seinem Vorgehen in dieser Sache an dem Ast, auf dem auch er sitzt." SPD-Fraktionsvize Gernot Erler sprach von einem "falschen Signal", meinte aber auch, die SPD-Fraktion könne "mit dem jetzigen Beschluss leben", da keine Vorentscheidung getroffen worden sei.

Als schärfster Konkurrent des Leopard-Panzers gilt in Ankara der amerikanische Kampfpanzer Abrams M1A2 von General Dynamics. Frankreich würde gerne den Panzer Leclerc seines Staatsunternehmens Giat liefern.