fr, 21.10.99

Türkei darf deutschen Kampfpanzer testen

Mehrere Minister stimmten dagegen / Grüne empört

Von Helmut Lölhöffel

Die türkische Armee bekommt einen deutschen Panzer vom Typ "Leopard 2A5b", um ihn ein Jahr lang zu testen. Von den Grünen, aus der SPD und von der PDS kam Widerspruch zu diesem Beschluss des Bundessicherheitsrates. Die CDU sieht einen "faulen Kompromiss".

BERLIN, 20. Oktober. Der Beschluss, der Türkei zur Probe einen Kampfpanzer des Typs "Leopard 2A5b" zu liefern, fiel am Mittwoch im Bundessicherheitsrat, dem auch für Rüstungsexporte zuständigen Gremium. Wie aus dem Bundeskanzleramt zu erfahren war, sprachen sich Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), Bundeswirtschaftsminister Werner Müller (parteilos) und Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) dafür aus, Außenminister Joschka Fischer (Grüne) und Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) waren dagegen.

Im Vorfeld dieser Entscheidung hatte es innerhalb der rot-grünen Koalition offene Meinungsverschiedenheiten über Rüstungslieferungen an die Türkei gegeben. Sie hängen damit zusammen, dass das Bundeskabinett in der nächsten Woche eine neu formulierte Richtlinie für Rüstungsexporte verabschieden will, deren bislang unter Verschluss gehaltenen Entwurf die FR am Mittwoch veröffentlicht hatte. Darin werden erstmals Menschenrechte und soziale Entwicklung als Maßstäbe für die Genehmigung von Waffenausfuhren genannt.

Der Bundesregierung liegt eine Bestellung aus der Türkei für Kampfpanzer nicht vor. Allerdings ist in Berlin bekannt, dass sich die türkischen Militärs für den "Leo 2" interessieren und 1000 Stück bestellen möchten. Mit der Entscheidung des Bundessicherheitsrats, jetzt einen Vorführ-Panzer auszuliefern, wird dieses Geschäft nicht verbaut. Die beantragte Lieferung von Haubitzen-Teilen wurde mit dem Hinweis nicht genehmigt, dass solche Waffen im Kurden-Krieg einsetzbar wären, der Panzer aber nicht.

Bei den Grünen löste die Entscheidung, einen "Leopard" in die Türkei zu schicken, empörte Reaktionen aus. Bundesgeschäftsführer Reinhard Bütikofer erklärte, sie stehe "im Widerspruch zum Koalitionsvertrag". Die Vorsitzenden der Bundestagsfraktion, Kerstin Müller und Rezzo Schlauch, wiesen darauf hin, das Thema sei aus ihrer Sicht "von zentraler Bedeutung für die rot-grüne Koalition" und würde von den Grünen am nächsten Montag in der Koalitionsrunde "zur Sprache gebracht". Die Grünen-Abgeordneten Angelika Beer, Claudia Roth und Christian Sterzing äußerten ihr "Entsetzen".

Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Gernot Erler, nannte die Panzer-Entscheidung ein "falsches Signal". Die PDS kündigte eine Bundestagsdebatte an. Von einem Schritt in die falsche Richtung sprach laut Agenturberichten die "Kampagne gegen Rüstungsexport". Die "Gesellschaft für bedrohte Völker" warnte vor einer Gefährdung des Friedens in der Region. CDU-Politiker wiesen auf "die tiefe Zerrissenheit der rot-grünen Regierung" hin. Der außenpolitische Experte der Union, Karl Lamers, nannte die Türkei-Politik der Regierung widersprüchlich.