ap 20.10.1999 15:18

Türkei erhält einen Leopard II für Panzertest

Bundessicherheitsrat unter Leitung von Schröder entschied - Streit in Koalition - Keine Teile für Haubitzen

Berlin (AP)

Die in der rot-grünen Koalition heftig umstrittene Lieferung des hochmodernen Leopard-Kampfpanzers an die Türkei ist entschieden: Der hinter verschlossenen Türen tagende Bundessicherheitsrat unter Leitung von Bundeskanzler Gerhard Schröder erteilte am Mittwoch in Berlin die Genehmigung, wonach die Türkei für ein Jahr einen Panzer vom Typ Leopard 2 A5 zu Vergleichstests erhält, wie AP aus zuverlässiger Quelle erfuhr. Hintergrund sind Pläne des Nato-Landes für die milliardenschwere Modernisierung seiner Panzertruppen.

Zugleich soll der Regierung in Ankara allerdings amtlich mitgeteilt werden, dass mit der Exportgenehmigung keinerlei Vorentscheidung für ein eventuell beabsichtigtes Panzer-Geschäft mit Deutschland im großen Stil gefallen sei. Der Bundessicherheitsrat lehnte den von der Türkei ebenfalls beantragten Verkauf von Einzelteilen für Haubitzen im Wert von 250 Millionen Mark ab, wie es weiter hieß. Diese Artilleriewaffen können im Gegensatz zu dem mittleren Kampfpanzer Leopard auch in gebirgigem Gelände und damit in kurdischen Gebieten eingesetzt werden.

Das türkische Militär will im Dezember mit der Erprobung verschiedene Typen von Kampfpanzern unter anderem aus USA, Frankreich, Italien, Russland und anderen Staaten beginnen. Ankara plant die Anschaffung von rund 1.000 Panzern für umgerechnet etwa sechs Milliarden Mark.

Die Frage des eigentlichen Panzergeschäfts mit der Türkei stand noch nicht zur Entscheidung an, wie in Berlin hervorgehoben wurde. Dies werde erst im Jahr 2001 der Fall sein, wenn das türkische Militär den Vergleichstest abgeschlossen und die Regierung zudem das Geld für die Beschaffung habe. Es gebe auch keinerlei Hinweise darauf, dass die Türkei von ihren rund 400 älteren Leopard-1-Panzern jemals welche gegen Kurden eingesetzt habe.

Fischer und Wieczorek-Zeul dagegen

Schon vor der Sitzung des geheim tagenden Kabinettsausschusses war es zu Auseinandersetzungen innerhalb von Koalition und Regierung gekommen. Während Schröder und Verteidigungsminister Rudolf Scharping die Lieferung befürworteten, waren Außenminister Joschka Fischer und Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul wegen des Kurden-Problems und der Lage der Menschenrechte in der Türkei dagegen.

Die Bundestagsfraktion der Grünen nahm die Entscheidung «mit Entsetzen» auf. In einer Erklärung hieß es, sie widerspreche dem Geist der Koalitionsvereinbarung, in der den Menschenrechten bei Rüstungsexporten der Vorrang eingeräumt werde. Die entsprechenden Richtlinien müssten nun verschärft werden. Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Gernot Erler, nannte die Panzerlieferung «ein falsches Signal». Er sagte im Inforadio Berlin, allerdings könne mit der Lieferung eines Testpanzers Zeit gewonnen werden, in der die Türkei ihre Politik ändern könnte. Die Grünen nannten dies Erwartung eine Illusion.

Der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Karl Lamers, warnte im Westdeutschen Rundfunk vor Ablehnungen gegenüber der Türkei. Damit ändere sich nicht nur an der Lage der Menschenrechte in der Türkei nichts. Vielmehr werde auch das Verhältnis zwischen Deutschland und der Türkei weiter verschlechtert.