Neue Züricher Zeitung, 19.10.1999

Neuer Anlauf in der Zypernfrage

Der US-Sonderbotschafter stellt sich vor

H. G. Athen, 18. Oktober

Der neue amerikanische Sonderbotschafter für Zypern, Alfred Moses, hat sich am Montag in Athen und Nikosia vorgestellt. Zuvor hatte er in Begleitung des Zypern-Koordinators des State Department, Tom Weston, in Ankara vorgesprochen. Sowohl Moses wie auch Weston drängten auf eine rasche Lösung der seit bald dreissig Jahren anstehenden Zypernfrage. Sonderbotschafter Moses erklärte, dass die neue griechisch-türkische Verhandlungsrunde, um deren Zustandekommen sich Washington bemüht, von einer Resolution des Uno-Sicherheitsrates ausgehen müsse. Der griechische Aussenminister Papandreou gab seiner Zuversicht auf einen «guten und schnellen» Verlauf der angestrebten Gespräche Ausdruck.

Sonderbotschafter Moses stellte unter anderem klar, dass er keine amerikanischen Ideen oder gar Pläne zur Bewältigung des Zypernkonflikts mitgebracht habe. Er wolle die Standpunkte der Konfliktparteien anhören und alles unterstützen, was zu ihrer Annäherung beitragen könne. Die angestrebte stärkere Einbindung der Türkei in die Europäische Union sei ein Grund zum Optimismus in der Zypernfrage. Der zypriotische Aussenminister Kassoulides stellte am Montag fest, dass die geplanten Verhandlungen zwischen Präsident Klerides und dem zyperntürkischen «Staatschef» Rauf Denktasch nicht hinter dem EU-Gipfel von Helsinki im Dezember nachhinken dürften. Vielmehr sei eine parallele Abwicklung der Zypern- und der EU-Beitrittsverhandlungen anzustreben.

Wie gespannt die Lage auch auf anderen Inseln im griechisch-türkischen Grenzraum ist, zeigten am Montag dramatische Vorfälle auf Gökceada, der früheren griechischen Insel Imbros: Zwei türkische Soldaten setzten im Dorf Glykeus das Haus einer Griechin in Brand, wobei deren siebenjähriger Sohn verbrannte und die zweijährige Tochter verletzt wurde. Imbros, mit seiner fast rein griechischen Bevölkerung, hatte nach der Niederlage Griechenlands 1922 wegen seiner strategischen Lage vor den Dardanellen an die Türkei abgetreten werden müssen. Die Auflagen des Lausanner Friedens von 1923, der Selbstverwaltung mit eigener Polizeitruppe vorgesehen hatte, sind nie erfüllt worden. Bis heute steht die Insel unter Militärverwaltung und dient als Verbannungsort für Kriminelle vom türkischen Festland.