junge Welt 19.10.1999

Panzerdeal noch nicht entschieden

Türkei drängt auf Lieferung von Leopard-II-Panzern. Koalition offenbar uneins

Die Türkei drängt weiter auf die Lieferung von Leopard- II-Panzern zu »Testzwecken« und auf die Erteilung einer Genehmigung zur Lizenzproduktion. Damit steht die rot- grüne Regierung vor einer nicht unerheblichen Zerreißprobe. Im Frühjahr dieses Jahres schien der Konflikt zunächst entschärft. Eine Anfrage der deutschen Rüstungsindustrie zu diesem Panzergeschäft sei nicht zuletzt auf Initiative von Außenminister Fischer »auf Eis gelegt« worden, verlautete aus gut unterrichteten Kreisen.

Im für derartige Fragen zuständigen, geheim tagenden Bundessicherheitsrat, dem neben dem Bundeskanzler auch mehrere Minister angehören, war tatsächlich wegen Meinungsverschiedenheiten bisher keine Entscheidung gefällt worden. Unter anderem hatte sich Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) gegen die Exportgenehmigung gewandt. Auch die kriegspolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion, Angelika Beer, hatte des öfteren eine deutliche Kurskorrektur der deutschen Türkei-Politik angemahnt. Unmißverständlich äußerte sich auch ihre Parteikollegin Claudia Roth, Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe: »Solange im Osten der Türkei Kriegszustand herrscht, die türkische Armee immer wieder völkerrechtswidrig in den Nordirak einmarschiert und die Menschenrechte und Demokratie immer wieder nur versprochen werden, aber nicht realisiert werden, solange sollten keine Waffen geliefert und keine finanziellen Hilfen zum Ankauf von Rüstungsgütern gewährt werden.« Noch deutlicher wurde sie auf einer von der deutsch-kurdischen Gesellschaft am 2. Juli dieses Jahres in München organisierten Veranstaltung. Beim Thema Kampfpanzer an die Türkei sei für sie, so Roth wörtlich, »das Ende der Fahnenstange erreicht«.

Demgegenüber findet der Wunsch des Panzerproduzenten Krauss-Maffei-Wegmann, ein riesiges Rüstungsgeschäft mit einem Volumen von mehreren Milliarden Mark unter Dach und Fach zu bekommen, zumindest in den beiden Ministern Scharping und Müller klare Fürsprecher. Ob die Widerstände des kleinen Koalitionspartners bei Schröder, der öffentlich noch nicht klar Position bezogen hat, Eindruck hinterlassen, ist zweifelhaft. Beobachter unterstellen jedenfalls, daß Schröder mit seiner Stimme eher eine Entscheidung zugunsten des Panzerexports herbeiführen wird.

Allerdings könnte die Verlegung einer erneuten Sitzung des Bundessicherheitsrates um eine Woche auf den kommenden Donnerstag den Konflikt von selbst entschärfen. Die Türkei drängt auf eine schnelle Entscheidung und nimmt möglicherweise bei weiteren Verzögerungen von der gewünschten Lizenzproduktion des deutschen Kampfpanzers Abstand: Sollte das Problem sich aber nicht auf diesem Weg in Luft auflösen, wäre eine Entscheidung, die »grünes Licht« für Kampfpanzer an die Türkei beinhaltet, sicher gut für heftige politische Turbulenzen in Berlin.

Vor einem Jahr hatten sich die neuen Regierungsparteien SPD und Bündnis 90/Die Grünen im Koalitionsvertrag auf eine Neufassung der Richtlinien bei Waffenverkäufen geeinigt: Danach sollte bei den »politischen Grundsätzen für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern« der »Menschenrechtsstatus möglicher Empfängerländer« berücksichtigt werden. Zweifellos wäre die Lieferung von hochmodernen Kampfpanzern an die Türkei eine erneute Brüskierung der grünen Klientel. Schon die jetzige Situation wird von Parlamentariern der Koalition als äußerste Belastung angesehen: Immerhin machen sich Mitglieder des Bundessicherheitsrates für ein milliardenschweres, hochbrisantes Waffengeschäft mit einem Land stark, in dem nachweislich durch staatliche Stellen schwerste Menschenrechtsverletzungen begangen werden und dessen Armee auch mit deutschen Waffen im kurdischen Kriegsgebiet Dörfer geräumt, beschossen und zerstört hat.

In Berlin liegen unterdessen offenbar die Nerven blank. Auf die Frage der ARD-Reporterin Sabine Rau im »Bericht aus Berlin«, ob er sich bezüglich der Leopard-II- Lieferung entschieden habe, reagierte Bundeskanzler Schröder trotz laufender Kameras ungehalten: Er schob das Mikrofon zur Seite und marschiert wortlos davon.

Thomas Klein/Foto: bonn-sequenz