ap 18.10.1999 14:24

Prozess gegen mutmaßlichen Anführer bei Kurden-Krawallen

35-Jähriger offenbar führend bei Erstürmung des griechischen Konsulats in Frankfurt am Main

Frankfurt/Main (AP)

Vor der Staatsschutzkammer des Landgerichts Frankfurt am Main hat am Montag die juristische Aufarbeitung der schweren Kurden-Krawalle in der Mainmetropole nach der Festnahme von PKK-Chef Abdullah Öcalan begonnen. Die Staatsanwaltschaft hat einen 35 Jahre alten Kurden wegen Haus- und Landfriedensbruchs, Sachbeschädigung und Verstoßes gegen das Vereinsgesetz angeklagt. Sie sieht in ihm einen der Hauptverantwortlichen der gewalttätigen Auseinandersetzungen am 16. Februar dieses Jahres.

Der 35-Jährige soll als PKK-Gebietsleiter Mainz/Wiesbaden mit etwa 30 weiteren Kurden in führender Rolle an der Besetzung des griechischen Generalkonsulats in Frankfurt beteiligt gewesen sein. Laut Anklage warf er nach der Erstürmung des Gebäudes aus einem Fenster Steine auf Polizisten und drohte mit der Zündung von Brandsätzen. Zwei Tage nach den Frankfurter Krawallen habe er dann auch an einer verbotenen Demonstration vor dem Wiesbadener Innenministerium teilgenommen.

Zudem soll der Angeklagte bereits im November und Dezember vergangenen Jahres nach der Festnahme Öcalans in Italien bei zwei Kundgebungen in Frankfurt Parolen der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei PKK skandiert haben. Öcalan war nach seiner Freilassung in Italien untergetaucht und dann im Februar in der griechischen Botschaft in Nairobi gestellt worden. Der Rechtsanwalt des 35-Jährigen erklärte zum Prozessauftakt, sein Mandant habe an den vier Versammlungen als «kurdischer Patriot» teilgenommen, aber nicht als PKK-Verantwortlicher.

Der wohnsitzlose Angeklagte war bereits im Herbst 1997 von derselben Staatsschutzkammer des Frankfurter Landgerichts wegen des Verstoßes gegen das Vereinsgesetz zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt worden. Die Richter sahen es unter anderem als erwiesen an, dass er Ende März 1996 in Frankfurt an einer verbotenen Demonstration zum kurdischen Neujahrsfest teilgenommen und dabei einen Polizisten getreten hatte.

Am vergangenen Freitag hatte die Frankfurter Staatsanwaltschaft erneut Zwischenbilanz nach den Kurden-Krawallen vom Februar gezogen. Danach sind noch rund 100 der 234 eingeleiteten Verfahren offen. Die meisten Verfahren bezogen sich nach den Worten von Oberstaatsanwalt Job Tilmann auf Teilnehmer an gewaltsamen Straßenkundgebungen. Etwa 30 Personen hätten sich an der Besetzung des griechischen Generalkonsulats und ebenso viele an der Besetzung des kenianischen Reisebüros beteiligt. Zusätzlich zu den 16 bereits eingereichten Anklagen rechnet die Staatsanwaltschaft mit weiteren 20.