taz, 18.10.1999

Asylfrage trennt Blair und Schröder

London lehnt gerechtere Lastenverteilung bei Flüchtlingen ab.

Bonn spricht sich für die Türkei als EU-Kandidaten aus, aber Griechenland und Schweden äußern Vorbehalte

Brüssel (AP/rtr) - Noch vor der geplanten Erweiterung wollen die Staaten der Europäischen Union zu einem einheitlichen Rechtsraum zusammenwachsen. Die Staats- und Regierungschefs demonstrierten bei ihrem Gipfel in Tampere am Freitag und Samstag, dass sie bei der wirtschaftlichen Integration des Staatenbundes nicht Halt machen wollen, blieben in ihren Vorschlägen jedoch hinter den Erwartungen zurück.

Bundeskanzler Gerhard Schröder wies darauf hin, dass es in Tampere um "eines der großen Integrationsprojekte" gegangen sei - nach der Schaffung des Binnenmarktes, der Einführung der gemeinsamen Währung und dem Abbau der Grenzkontrollen innerhalb der EU. Die Schaffung einer "Union der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts" gilt als eine von mehreren Voraussetzungen für die Erweiterung der Union.

Obwohl grundsätzliche Einigung bestand, dass die EU mehr Gemeinsamkeit in der Asylpolitik, bei der Eindämmung der illegalen Einwanderung, der Bekämpfung des grenzüberschreitenden Verbrechens sowie eine Annäherung im Zivil- und Strafrecht brauche, saß der Teufel im Detail. Der französische Präsident Jacques Chirac etwa setzte durch, dass in den Schlussfolgerungen von einem "gemeinsamen" statt von einem "einheitlichen" Asylsystem gesprochen wurde. Auch der britische Premierminister Tony Blair sträubte sich gegen allzu deutliche Harmonisierungsvokabeln.

Schröder selbst blockierte einen geplanten Haushaltsposten von 250 Millionen Euro als Lastenausgleich für Länder, die einen besonders hohen Zustrom an Flüchtlingen zu verkraften haben. Deutschland selbst nimmt seinen Worten zufolge rund 50 Prozent aller Asylbewerber in der EU auf.

Die Staats- und Regierungschefs der EU einigten sich grundsätzlich darauf, im kommenden Jahr konkrete Beitrittsverhandlungen mit sechs weiteren Ländern - Bulgarien, Rumänien, der Slowakei, Lettland, Litauen und Malta - aufzunehmen. Die Entscheidung soll auf dem EU-Gipfel im Dezember in Helsinki fallen. Mit Blick auf die Türkei sagte Schröder, Deutschland sei dafür, das Land dann ebenfalls zum Beitrittskandidaten zu erklären. Griechenland und Schweden brachten jedoch Vorbehalte gegen die Türkei vor.

Die EU-Kommission hatte empfohlen, mit diesen Staaten Beitrittsgespräche zu beginnen und die Zahl der Beitrittskandidaten damit auf zwölf zu erhöhen. Die EU verhandelt bereits mit Ungarn, Polen, Slowenien, Tschechien, Estland und Zypern über einen Beitritt.