blue window news (Schweiz), 15.10.99 1.

EU-Gipfeltag von vielen Erklärungen geprägt

(reuters/ess) Mit vielen Absichtserklärungen, aber ohne konkrete Entscheidungen zur Zusammenarbeit im Bereich innere Sicherheit haben die Staats- und Regierungschefs der EU den ersten Tag ihres Gipfels im finnischen Tampere beendet. Der finnische Ministerpräsident und EU-Ratspräsident Paavo Lipponen sagte, viele Themen seien angesprochen worden. Diese würden aber am Samstag erneut beraten, um möglicherweise zu Entscheidungen zu gelangen.

Der deutsche Aussenminister Joschka Fischer sagte, wenn es in fünf Jahren gelinge, Rechtsvorschriften anzugleichen, die Kriminalität gemeinsam zu bekämpfen und eine bessere Koordinierung der Flüchtlingspolitik zu erreichen, sei dies bereits sehr viel.

Hohe deutsche Regierungsvertreter warnten entsprechend davor, in den komplexen Fragen der Inneren Sicherheit und der Flüchtlingspolitik Sofortlösungen zu predigen und überhöhte Erwartungen an das Treffen zu stellen. Luxemburgs Ministerpräsident Jean-Claude Juncker sagte, bei dem Gipfel gehe es auch nicht um Detailfragen.

Nach Angaben aus deutschen Regierungskreisen sagte Bundeskanzler Gerhard Schröder bei dem Treffen, nach der Einführung des Euro müsse im Bereich der Innen- und Justizpolitik ein weiteres grosses Integrationsprojekt der EU eingeleitet werden. Schröder habe sich vor allem für ein einheitliches Asylsystem in der EU ausgesprochen - sowohl bei den Anerkennungskriterien für Flüchtlinge als auch bei den Asylverfahren. Missbrauch müsse zudem ausgeschlossen werden. Auch in der Asylfrage müsse es eine Lastenteilung unter der EU-Staaten geben.

Zahlreiche Staats- und Regierungschefs unterstrichen zudem, dass die Angleichung von Asylfragen nicht bedeute, dass Europa zu einer abgeschotteten Festung werde. Flüchtlings- und Menschenrechtsgruppen hatten die Befürchtung geäussert, dass von dem Gipfel ein solches Signal ausgehen könnte.

Besprochen wurde auch die Aschaffung einer Koordinierungsstelle europäischer Staatsanwaltschaften. Diese könne die Keimzelle für die Behörde eines europäischen Staatsanwalts bilden, der etwa bei länderübergreifenden Korruptionsfällen Anklage erheben könnte. Diesen Vorschlag unterstützte auch die Europäische Kommission. Dagegen brachte nach Angaben aus Diplomatenkreisen aber vor allem Grossbritannien Vorbehalte vor, da eine solche Behörde in nationale Souveränitätsrechte eingreifen könnte.

Die Staats- und Regierungschefs debattierten zudem über weitere Kompetenzen für die Europäische Polizeibehörde Europol. Deren Direktor Jürgen Storbeck sagte in einem Radiointerview, Europol verspreche sich von dem Gipfel mehr operative Funktionen und die volle Zuständigkeit für das Delikt Geldwäsche.

EU-Kommissionspräsident Romano Prodi sagte, von dem Gipfel müssten vier Signale ausgehen. Die Freiheit der Bürger müsse in einem Umfeld der Sicherheit und des Rechts garantiert werden. Zudem müsse Streitigkeiten und bürokratischen Hürden zwischen den Justizbehörden der 15 EU- Staaten ein Ende gesetzt werden. Das organisierte Verbrechen müsse wissen, dass es von der EU mit allen Mitteln bekämpft werde. Zudem müsse klar werden, dass es keinen Widerspruch zwischen Innerer Sicherheit und Gastfreundlichkeit und Offenheit gegenüber Bürgern aus Staaten ausserhalb der EU gebe.

Prodi regte einen Fahrplan an, um die bereits im Vertrag von Amsterdam von 1997 vorgesehene engere Zusammenarbeit im Bereich innere Sicherheit und Asylpolitik zu erreichen. +n zwei Jahren könne ein neuer Gipfel zu diesem Thema stattfinden. Die EU-Kommission sei bereit, eine Checkliste vorzulegen und bis dahin Fortschritte und Missstände auf dem Weg zu einer engeren Zusammenarbeit aufzuzeigen.