Neue Zürcher Zeitung, 16.10.1999

Europol mit mehr Biss gegen Geldwäscherei

Grundsätzliche Zustimmung am EU-Gipfel in Tampere

Am Europäischen Rat in Tampere haben alle Staats- und Regierungschefs den Handlungsbedarf bestätigt, den EU-Bürgern den Zugang zum Recht zu erleichtern sowie generell die Zusammenarbeit innerhalb der Union im Justizbereich zu verstärken. Einig ist man sich, den Kampf gegen Geldwäscherei und andere Formen der Kriminalität zu verstärken.

lts. Tampere, 15. Oktober

Zur Eröffnung des Europäischen Rates im finnischen Tampere hat die Präsidentin des Europäischen Parlamentes, Nicole Fontaine, vor den versammelten Staats- und Regierungschefs festgehalten, dass mit der Verwirklichung eines «Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts» die Union sehr konkrete Sorgen der EU-Bürger anspreche. Sie müsse die Bürger davon überzeugen, dass sie tatsächlich in der Lage sei, adäquat auf die an die Gemeinschaft herangetragenen Sorgen zu antworten.

Warnung vor Ungeduld

Der deutsche Aussenminister Fischer verhehlte die praktischen Schwierigkeiten nicht. Die Union stehe vor einem neuen Vergemeinschaftungsabschnitt mit Themen wie Asyl und Einwanderung, die in den einzelnen Mitgliedstaaten starke Empfindlichkeiten sowie unterschiedliche Traditionen und Interessen berührten. Er warnte deshalb vor Ungeduld, nur weil trotz Übereinstimmung in Grundsätzlichem bei Halbzeit in Tampere noch wenig Handfestes angeboten werden könne. In der EU müsse eben immer zunächst der Zug aufs Geleise geschoben werden, dann würden Fahrplanfragen diskutiert, und erst anschliessend stosse man zu den substantiellen Umsetzungsfragen vor. Fischers Bemerkungen bezogen sich vor allem auf die Asylpolitik, wo es nach seiner Überzeugung in der EU zu einer besseren Abstimmung des materiellen Asylrechts und des Verfahrensrechts kommen müsse. Der «Haider- Falle» - die populistische Ausbeutung von politischen Flüchtlingen - entkomme Europa nicht mit einzelstaatlichen Massnahmen, sondern nur mit einer gesamteuropäischen Politik auf der Grundlage des durch internationale Konventionen erreichten Schutzniveaus. Gemäss den Ausführungen des finnischen Ministerpräsidenten Lipponen sprach sich die Runde - zurückhaltender - für ein gemeinsames Asylsystem mit einheitlichen Aufnahmekriterien aus und für eine kohärente Politik zur Entschärfung der Flucht- und Auswanderungsgründe in den wichtigsten Quellenländern der Migrationsströme.

Geeinter gegen Kriminalität

Als Erfolg nannte der Finne, dessen Land zurzeit die EU-Präsidentschaft innehat, das Bekenntnis der Gipfelteilnehmer zum breiteren Einsatz von Europol im Kampf gegen die Geldwäscherei. In der Diskussion, bestätigte er, seien in diesem Zusammenhang auch Fragen nach dem Einbezug der Off-shore-Zentren und nach dem Umgang mit dem Bankgeheimnis angeschnitten worden. In Ergänzung zur Stärkung von Interpol stiess bei den Gipfelteilnehmern auch die vorgeschlagene Vernetzung der europäischen Staatsanwaltschaften und Untersuchungsrichter auf grosses Interesse. Eine eigentliche Angleichung der 15 verschiedenen Rechtsordnungen bezeichneten die Briten mit Rücksicht auf die sehr divergierenden Rechtstraditionen zwar unverblümt als «Unsinn». Aber auch sie anerkannten die Notwendigkeit, gerichtliche Entscheidungen gegenseitig anzuerkennen.

Die EU steht sehr unter Druck, im Interesse ihrer Bürger für die rasche Vollstreckung von familien- und vermögensrechtlichen Urteilen zu sorgen. Sie steht um so mehr in der Pflicht, als es zwar ein EU-Abkommen über Familienrecht gibt, die Mitgliedstaaten dieses aber noch nicht ratifiziert haben. Die Bereitschaft zur gegenseitigen Urteilsanerkennung, berichtete Lipponen, erstrecke sich auch auf das Strafrecht. Am Ende des ersten Tages anerkannte der für Justiz und Inneres zuständige Kommissar Vitorino, in Tampere seien klare Prioritäten gesetzt worden. Der finnische Gastgeber Lipponen äusserte sich zuversichtlich, dass in den Schlussfolgerungen des Gipfels auch Konkretes ausgesagt werde, wie diese Grundsätze und Prioritäten in der Praxis umgesetzt werden sollen.