Süddeutsche Zeitung, 16.10.99

Der Tod braucht kein Visum

Der leukämiekranke Kurde ist gestorben - die Angehörigen dürfen noch immer nicht einreisen

Von Monika Maier-Albang

Die drei Kinder von Adnan Omar Hussein hatten so gehofft, ihren todkranken Vater noch einmal wieder zu sehen. Doch der leukämiekranke Iraker starb in der Nacht auf Donnerstag im Klinikum Großhadern - ohne dass seine Familie von ihm Abschied nehmen konnte. Seit Juli sitzen Husseins Frau Sausan und die drei Kinder in der Türkei fest. Aus Angst, die Familie werde bleiben, verweigern die deutschen Behörden die Einreise.

Bereits 1997 war der Kurde Adnan Hussein zu seinen beiden Brüdern nach München geflohen. Erst zwei Jahre später, im März 1999, wurde er als politisch Verfolgter anerkannt. Zwei verlorene Jahre, in denen er nicht arbeiten durfte und damit keine Möglichkeit hatte, seine Familie nachzuholen. Als Husseins Krankheit im August akut wurde, hielt es seine Familie im Irak nicht länger aus. Von der Türkei aus wollte Sausan Hussein mit ihren Kindern nach Deutschland einreisen. Kurz nach ihrer Ankunft in der Türkei verlor die Familie bei dem Erdbeben ihre ganze Habe. "Die Frau sitzt in einem Flüchtlingscamp und muss jeden Tag um Wasser und Brot kämpfen," schildert Caritas-Mitarbeiterin Hester Butterfield die verzweifelte Situation.

Ein Einreisevisum nach Deutschland bekam die Familie trotzdem nicht. Ob sie am Montag wenigstens zur Beerdigung nach München reisen dürfen, war bis gestern unklar. Das Auswärtige Amt hat nach Kenntnis der Caritas den Antrag abgelehnt. Im Bayerischen Innenministerium wusste man am Freitag davon nichts. Es sei auch nicht Aufgabe seiner Dienststelle, sagt Innenministeriums-Sprecher Christoph Hillenbrand, "den Antrag voranzutreiben". Das Ministerium hatte der Caritas bereits vor Husseins Tod eine Bedingung gestellt: Verpflichtet sich der Verband, drei Jahre lang alle Kosten zu übernehmen, darf die Familie einreisen. Das Spendenkonto, das die Caritas daraufhin eingerichtet hatte (Kontonummer 2022218046, Liga-Bank, BLZ 750 903 00), besteht nach wie vor. Die Spenden sollen helfen, die Lebensumstände der Familie zu verbessern. Besagte Übernahme-Erklärung könnte übrigens auch das Bundesinnenministerium "aus humanitären Gründen" abzeichnen. Doch selbst unter SPD-Regie, so Hillenbrand, sei dies "so gut wie noch nie" passiert.