Kölnische Rundschau 16.10.99

Mordfall Erol Ispir:
Angehörige erheben Vorwürfe gegen Ermittler

Mutmaßlicher Mörder aus Untersuchungshaft entlassen

Schwere Vorwürfe haben Angehörige und Freunde des ermordeten Kurden Erol Ispir gegen die ermittelnden Behörden erhoben. Der 33-Jährige war am Abend des 1. Juli bei einem Streit mit zwei jungen Türken im Lokal des türkischen "Arbeiter- und Jugendkulturvereins" (Agif) in Kalk niedergestochen worden.

Polizei und Staatsanwaltschaft hätten mögliche politische Hintergründe der Tat nicht ausreichend geprüft, beklagten die Angehörigen bei einer Pressekonferenz im Agif. Verbittert sind sie zudem darüber, dass einer der mutmaßlichen Täter, der 21-jährige Koray A., wieder auf freiem Fuß ist.

Die Ermittlungen seien bislang noch nicht abgeschlossen, mögliche politische Motive der Tat würden weiterhin geprüft, entgegnete Oberstaatsanwältin Regine Appenrodt auf Anfrage. In den Vernehmungen habe Koray A. ausgesagt, ein Kratzer auf dem BMW-Cabrio seines Freundes, für den die Täter Erol Ispir verantwortlich machten, sei der Auslöser des Streits gewesen. Eine Richterin habe beim Haftprüfungstermin entgegen dem Antrag der Staatsanwaltschaft die Untersuchungshaft für Koray A. ausgesetzt, da weder Flucht- noch Verdunklungsgefahr bestehe, berichtete sie. Eine Beschwerde gegen die Entscheidung der Haftrichterin habe die Staatsanwaltschaft nicht eingelegt.

Koray A. war wie der mutmaßliche Haupttäter, der 21-jährige Selim A., zunächst in die Türkei geflüchtet, hatte sich aber zehn Tage später den Kölner Behörden gestellt. Selim A. befindet sich nach wie vor in der Türkei. In Telefonaten mit der Kölner Polizei habe der Haupttäter die Aussagen seines Freundes weitgehend bestätigt. Um eine auch für das Gericht verwertbare Aussage von Selim A. zu bekommen, habe die Staatsanwaltschaft ein Rechtshilfe-Ersuchen bei den türkischen Behörden gestellt. Einem möglichen Auslieferungsverfahren gibt Regine Appenrodt keine Chance: "Kein Land liefert seine eigenen Staatsangehörigen aus." mop