ap, 15.10.1999, 12:38

Erster Prozess nach Kurdenkrawallen vom Februar

In Frankfurt am Main - Verfahren gegen 235 Personen - Bislang 16 Anklagen - Keine beschleunigten Verfahren

Frankfurt/Main (AP) - Gut acht Monate nach den Kurdenkrawallen in Frankfurt am Main im Zusammenhang mit der Festnahme von PKK-Chef Abdullah Öcalan beginnt in der nächsten Woche der erste Prozess gegen einen der Gewalttäter. Vor dem Staatsschutzsenat des Landgerichts Frankfurt muss sich einer der etwa 30 Besetzer des griechischen Generalkonsulats in Frankfurt wegen Geiselnahme, Sachbeschädigung, Freiheitsberaubung und Verstoßes gegen das Vereinsgesetz verantworten. Der 35-Jährige gilt als Gebietsleiter Mainz/Wiesbaden der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK gilt, wie der Sprecher der Frankfurter Staatsanwaltschaft, Job Tilmann, am Freitag erklärte.

Am 16. Februar war es in Frankfurt zu Ausschreitungen und Kämpfen zwischen PKK-Anhängern und der Polizei gekommen. Die Frankfurter Staatsanwaltschaft hatte im Anschluss nach den Worten Tilmanns Verfahren gegen insgesamt 235 Personen eingeleitet, die an der Besetzung des griechischen Generalkonsulats sowie des kenianischen Reisebüros oder an den gewalttätigen Straßenkämpfen in Frankfurt-Bockenheim beteiligt gewesen sein sollen. 135 Verfahren sind nach Auskunft der Staatsanwaltschaft zum Teil mit Strafbefehlen abgeschlossen, ein Großteil davon aber auch eingestellt worden.

Insgesamt 16 Anklagen habe seine Behörde bislang erhoben und bei der Staatsschutzkammer des Landgerichts eingereicht, erklärte Tilmann. Mit weiteren 20 Anklagen sei noch zu rechnen. Zwei Besetzer säßen noch immer in Untersuchungshaft. Einer von ihnen war nach den Worten Tilmanns erst am vergangenen Wochenende bei einer Großdemonstration von Kurden in Frankfurt von der Polizei wiedererkannt und festgenommen worden. Vier Beschuldigte würden noch mit Haftbefehl gesucht.

Nach den Kurdenkrawallen im Februar war es zu heftigen Diskussionen gekommen, weil der Grüne Europa-Abgeordnete Daniel Cohn-Bendit den Besetzern des Konsulats zunächst zugesagt hatte, das Gebäude ohne erkennungsdienstliche Behandlung verlassen zu dürfen, um weitere Gefahren für die Mitarbeiter abzuwenden. Keinesfalls war den PKK-Anhängern aber nach den Worten Tilmanns Straffreiheit zugesichert worden.

Im Anschluss hätten sich die Frankfurter Ermittler im Gegensatz zu den Stuttgarter Strafverfolgungsbehörden gegen so genannte beschleunigte Verfahren entschieden. «Man wollte nicht darauf verzichten, zwischen Mitläufern und Rädelsführern zu unterscheiden», sagte Tilmann. Dies sei wichtig für eventuelle neue Ausschreitungen in der Zukunft. Außerdem gehörten nach Meinung der Frankfurter Staatsanwaltschaft gewalttätige PKK-Aktivisten vor eine Staatsschutzkammer. Und dies gehe nicht im beschleunigten Verfahren