Neue Zürcher Zeitung, 15.10.1999

Soforthilfe des Währungsfonds für die Türkei

Gewährung eines 500-Millionen-Dollar-Kredits

Cls. Washington, 14. Oktober

Das Exekutivdirektorium des Internationalen Währungsfonds (IMF) hat der Türkei im Gefolge des verheerenden Erdbebens vom 17. August Katastrophenhilfe in Höhe von 361,5 Mio. Sonderziehungsrechten (SZR) oder umgerechnet rund 501 Mio. $ zugesprochen. Die Mittel sind sofort abrufbar; sie dienen zur Unterstützung des Wiederaufbaus und zur Begrenzung der negativen Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft, und sie sind Teil einer umfassenderen Hilfestellung der internationalen Gemeinschaft.

In einer dem Währungsfonds zugestellten Absichtserklärung (Letter of intent) veranschlagt die türkische Regierung die Infrastrukturschäden provisorisch auf 0,5 Mrd. bis 1,0 Mrd. $ oder 0,25-0,5% des Bruttoinlandprodukts (BIP). Ausserdem sind nach diesen Angaben bis zu 200 000 private Wohneinheiten und Geschäftshäuser beschädigt oder zerstört worden, was Verluste von mindestens 2,5 Mrd. $ (1,25% des BIP) bedeutet. Die Weltbank hatte zuvor die Erdbebenschäden auf 3 Mrd. bis 6,5 Mrd. $ geschätzt. Die Beschädigung von Produktionskapazitäten dürfte laut Regierung im restlichen Jahresverlauf mit einem Wachstumsverlust in der Grössenordnung von 0,5 bis 1,0 Prozentpunkten verbunden sein. Für ganz 1999 wird jetzt mit einer Schrumpfung des BIP um 1,5% gerechnet, verglichen mit einem Realwachstum von 3,8% im vergangenen Jahr. Die Ertragsbilanz könnte in diesem Jahr als Folge geringerer Exporte, höherer Importe sowie geringerer Tourismus-Einnahmen um 800 Mio. bis 900 Mio. und im nächsten Jahr um schätzungsweise 2,5 Mrd. $ geschwächt werden; das Ertragsbilanzdefizit für 1999 wird mit 0,8% des BIP angesetzt. Das konsolidierte Haushaltdefizit dürfte sich auf 11,8 (i. V. 7,7)% des BIP erhöhen.

In einer Erklärung des Währungsfonds zum Sofortkredit werden die türkischen Behörden für ihr bisheriges Katastrophenmanagement gelobt. Nach den ersten negativen Reaktionen der Finanzmärkte sei das Vertrauen rasch wieder hergestellt worden. Tatsächlich konnte der unmittelbar nach dem Erdbeben eingesetzte Kapitalabfluss im Ausmass von etwa 1,3 Mrd. $ zum Teil rückgängig gemacht werden. Der IMF würdigt sodann den Reformwillen der Behörden sowie die weiteren Anstrengungen zur Festigung der Staatsfinanzen und zur Rückführung der Inflation. Die türkische Regierung wird ermutigt, ein Programm über das Jahr 2000 hinaus zu entwickeln, das als Grundlage zu einem weiteren Bereitschaftskredit dienen könnte. Die Türkei hat Mitte 1998 ein Kreditprogramm vereinbart und schuldet dem IMF gegenwärtig 143 Mio. $.