Süddeutsche Zeitung 13.10.99

Ein Geschäft mit Ankaras Generälen

Die Bundesregierung sollte den Verkauf von "Leopard 2"-Panzern an die Türkei genehmigen

Von Wolfgang Koydl

Istanbul, 12. Oktober - Eigentlich müssten nicht nur in der Münchener Konzernzentrale, sondern auch im Bundeskabinett in Berlin die Herzen höher schlagen. Denn das Geschäft, um das es geht, ist genau das, was der nach einer Reihe von Wahlniederlagen angeschlagene deutsche Bundeskanzler gut gebrauchen könnte: Der Auftrag hat ein Volumen von rund 14 Milliarden Mark, er sichert 1500 oft mittelständischen Zulieferbetrieben ein Auskommen und er garantiert 6000 Arbeitsplätze für die nächsten zehn Jahre.

Eigentlich müsste man also bei so einer Offerte sofort einschlagen. Dennoch sieht es so aus, als ob die Bundesrepublik auf das verlockende Geschäft verzichten würde. Denn es geht nicht um Baumaschinen, sondern um Panzer; und sie sollen auch nicht an die Schweiz verkauft werden, sondern an die Türkei. Die Münchner Waffenschmiede "Krauss-Maffei Wegmann" will dem türkischen Heer zunächst 1000 Kampfpanzer vom Typ Leopard 2 verkaufen. Im Wettstreit mit Konkurrenten aus fünf anderen Ländern hat die Firma gute Chancen: Der türkische Generalstab mag den Leo.

Doch in Deutschland löst die Kombination "Panzer - Türkei" stets reflexhaft ebenso zwiespältige Reaktionen wie eindeutige Emotionen aus, denen schwer mit sachlichen Argumenten zu begegnen ist. Die Waffen, so heißt es alsgleich, würden früher oder später bei der Unterdrückung der kurdischen Bevölkerung im Südosten des Landes eingesetzt. Manchmal stimmt dieses Argument, manchmal aber auch nicht - und dies macht die ganze Sache nicht einfacher.

Die Bundesrepublik hat sich aus historischen und politischen Gründen schon immer schwer getan mit Waffenlieferungen, egal ob sie für die Türkei oder für andere Länder bestimmt waren. Das hat die Deutschen einerseits nicht daran gehindert, weltweit in die Spitzengruppe von Rüstungsexporteuren aufzusteigen; andererseits ist es den moralischen Skrupeln zu danken, dass es nirgendwo strengere Kontrollen, höhere Schranken und peinlichere Untersuchungen gibt, bevor ein Geschäft genehmigt wird.

Zu diesen Kontrollinstanzen gehört der Bundessicherheitsrat. In ihm haben neben dem Bundeskanzler vier Minister Stimmrecht. Bei der Sitzung am Donnerstag steht das einträgliche Panzergeschäft mit der Türkei auf der Tagesordnung, wobei es dem Vernehmen nach zwei Pro- und zwei Contra-Stimmen gibt. Die Ministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Heidemarie Wieczorek-Zeul, ist eindeutig dagegen, Wirtschaftsminister Werner Müller voll dafür; Hardthöhenchef Rudolf Scharping möchte dem Geschäft gerne zustimmen, traut sich aber nicht; der grüne Außenminister Joschka Fischer fürchtet den Aufstand seiner geschundenen Partei, wenn er den schlimmen Türken Waffen verkauft. Wie es heißt, will er die Sitzung schwänzen. Damit wird die Stimme von Bundeskanzler Gerhard Schröder den Ausschlag geben.

Freilich gab es früher gute Argumente gegen die Lieferung von Rüstungsgütern an die Türkei. Aber diese Gründe sind nicht mehr zeitgemäß. Dabei geht es gar nicht einmal so sehr darum, ob Leopard-Kampfpanzer in der Bergwelt Kurdistans überhaupt eingesetzt werden können - sie können es genauso wenig wie seinerzeit Fregatten oder U-Boote. Entscheidend ist vielmehr, dass sich die politischen Gegebenheiten im türkisch-kurdischen Konflikt verändert haben. Seit der Verurteilung des kurdischen Parteiführers Abdullah Öcalan hat dessen "Arbeiterpartei" (PKK) den bewaffneten Kampf gegen die Türkei eingestellt. Die Kurden, so Öcalans ausdrücklicher Befehl, werden mit politischen Mitteln weiterkämpfen. In diesem Konflikt sind die türkischen Generäle ohnehin unterlegen, und Panzer - egal ob sie nun aus Deutschland, den USA, Frankreich oder der Ukraine stammen - werden ihnen dabei auch nicht helfen.

In Berlin sollte man indes eines bedenken: Wer den türkischen Militärs ihr teures und im Kurdenkonflikt letztlich nutzloses Spielzeug liefert, hat etwas zu sagen in Ankara. Wer es ihnen dagegen verweigert, beraubt sich aller Einflussmöglichkeiten.