sz, 9.10.99

Verheugen bestreitet Dissens mit EU-Parlament

Von Udo Bergdoll

Bonn - Der für die Erweiterung zuständige EU-Kommissar Günter Verheugen hat die Meinungsunterschiede zwischen Brüssel und dem Europaparlament über die Behandlung der Türkei heruntergespielt. Verheugen sagte am Freitag der SZ, auch das Parlament spreche der Türkei in der Entschließung vom Mittwoch die europäische Perspektive nicht ab. Es sei nur dagegen, dass Ankara mit den anderen Kandidaten gleichbehandelt werden. Die Kommission werde die Türkei in der nächsten Woche in ihrem Fortschrittsbericht als Kandidat aufzählen. Zwischen Kommission und Parlament gehe es nicht um eine grundsätzliche, sondern um eine taktische Frage. Wenn die Türkei nicht in den Erweiterungsprozess einbezogen werde, könne man auch nicht herausfinden, ob sie die Vorraussetzungen für eine Mitgliedschaft in der EU erfülle. Im Übrigen sei sowieso klar, dass das letzte Wort über das Verhältnis der EU zur Türkei beim Europaparlament liegen werde.

Verheugen hatte sich dafür ausgesprochen, der Türkei beim EU-Gipfeltreffen im Dezember in Helsinki offiziell den Kandidatenstatus einzuräumen, die Verhandlungen über den Beitritt aber erst aufzunehmen, wenn der Kandidat seine Reformfähigkeit nachgewiesen habe. Das Europaparlament lehnte es aber ab, der Türkei im Sinne der Kommission "deutliche Aussichten" auf eine Mitgliedschaft zu geben, weil sie weit davon entfernt sei, die Kriterien zu erfüllen.

Verheugen wurde am Freitag von Außenminister Joschka Fischer als Europa-Staatsminister verabschiedet. Verheugen sagte, in seiner neuen Aufgabe arbeite er am endgültigen Gesicht Europas. Der EU-Kommissar appellierte an die Parteien des Bundestages, gezielt für außenpolitischen Nachwuchs zu sorgen. Auf dem internationalen Parkett falle Deutschland als "etwas schmalbrüstig" auf.