Hannoversche Allgemeine Zeitung, 7.10.1999

Wird die Türkei bald EU-Kandidat?

Die europäischen Christdemokraten sind am Mittwoch mit ihrem Versuch knapp gescheitert, das Europaparlament in Straßburg auf die Ablehnung des Kandidatenstatus der Türkei einzuschwören. Die Mehrheit stimmte stattdessen für eine Resolution, die der Türkei eine Beitrittsperspektive einräumt. Gleichzeitig betont das EU-Parlament, dass die Türkei "weit davon entfernt ist, die Aufnahmekriterien zu erfüllen". Die von der EU-Kommission beim EU-Gipfel in Helsinki im Dezember angestrebte Aufwertung der türkischen Bewerbung wird in der Parlamentsresolution übergangen.

EU-Kommissar Günter Verheugen hatte zuvor dafür geworben, in Helsinki die Weichen für eine neue Türkei-Politik zu stellen. Es könne jedoch nicht darum gehen, mit Ankara in absehbarer Zeit Verhandlungen aufzunehmen. "Ich weiß nicht, ob die Türkei je Mitglied der EU sein wird. Ich weiß auch nicht, ob die Türkei je reif sein wird für Verhandlungen." Die EU sei jedoch bereit, Ankara beim nötigen Wandel zu helfen.

Den Vorschlag der EU-Kommission, in Helsinki der Türkei den Status eines EU-Beitrittskandidaten einzuräumen, nannte der SPD-Europapolitiker Klaus Hänsch "voreilig und unüberlegt". Dadurch drohe eine "grenzenlose Erweiterung der EU". Ein Teil der sozialdemokratischen EP-Fraktion ist offenbar für den Kandidatenstatus der Türkei, ihr außenpolitischer Sprecher Jannis Sakellariou sprach dagegen von einem "Etikettenschwindel".

Am Vorabend hatte sich die christdemokratisch-konservative Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) grundsätzlich gegen eine Aufnahme der Türkei in die EU ausgesprochen.

Thomas Gack, Straßburg