taz, 7.10.1999

Nein zu Verheugen-Offerte

Konservative EU-Parlamentarier gegen raschen Kandidatenstatus der Türkei

Straßburg (dpa) - Das Europaparlament hat sich gegen einen baldigen Status der Türkei als Kandidat zur Aufnahme in die Europäische Union ausgesprochen. Damit stellte sich die Volksvertretung am Mittwoch mit 347 Nein- bei 135 Ja-Stimmen und 42 Enthaltungen gegen den Vorschlag der EU-Kommission, die sich dafür einsetzte, der Türkei auf dem EU-Gipfeltreffen am 10. und 11. Dezember in Helsinki den Kandidatenstatus in Aussicht zu stellen.

Günter Verheugen, der für die Erweiterung zuständige EU-Kommissar, hatte kurz zuvor in Straßburg die Haltung der Kommission erläutert. "Es sollen keine Beitrittsverhandlungen aufgenommen werden, doch mit dem Kandidatenstatus kann der Prozess in Gang kommen", sagte er. Zur Zeit erfülle die Türkei noch nicht die wirtschaftlichen und politischen Kriterien einer EU-Mitgliedschaft, auch wenn in letzter Zeit deutliche Fortschritte erzielt worden seien. Als Kritikpunkte nannte Verheugen den Schutz der Menschenrechte und der Minderheiten, die Zypernfrage und den Fortbestand der Todesstrafe. Der finnische EU-Ratsvorsitzende Kimmo Sasi äußerte die Hoffnung, dass auch das Todesurteil gegen den Kurdenführer Abdullah Öcalan nicht vollstreckt werde.

Im Europaparlament sprachen sich in erster Linie Christdemokraten deutlich gegen einen Beitritt der Türkei aus. "Eine Aufnahme des Landes in die EU würde die Union überfordern und dem Land einen radikalen politischen Wechsel aufzwingen, den es nicht will", sagte der CDU-Abgeordnete Werner Langen. Er forderte eine eigenständige Türkei-Politik "unterhalb des Beitritts".

In einem gemeinsamen Entschließungsantrag von Sozialdemokraten, Christdemokraten, Liberalen und Grünen wurden demokratische Reformen in der Türkei als "wichtiger erster Schritt" auf dem Weg in die Union bezeichnet. "Um den Reformprozess in der Türkei durch deutliche Aussichten auf eine EU-Mitgliedschaft zu fördern, sollte dem Land auf dem Gipfeltreffen in Helsinki ein Signal gegeben werden", hieß es in der Entschließung.