Rhein-Neckar-Zeitung, 6.10.1999

Neuer Prozess gegen PKK-Chef Öcalan und 100 PKK-Kämpfer geplant

Istanbul (dpa) - Ein türkisches Gericht will ein neues Verfahren gegen den bereits zum Tode verurteilten Chef der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), Abdullah Öcalan, und 100 seiner Anhänger eröffnen. Den Angeklagten werden unter anderem die Bildung einer bewaffneten Vereinigung, Terrorakte und Morde vorgeworfen, berichtete die türkische Nachrichtenagentur Anadolu am Dienstag. Es gehe um Verbrechen, die die Gruppe vor 1980 begangen haben soll. Der Prozess soll am 15. Dezember beginnen.

Bei dem neuen Verfahren soll unter anderem auch Öcalans Frau Kesire, die seit langem von Öcalan getrennt lebt, angeklagt werden. Die meisten der Angeklagten leben nicht in der Türkei.

Öcalan war Ende Juni wegen Hochverrats und zahlreicher Morde zum Tode verurteilt worden. Am Donnerstag beginnt das Berufungsverfahren. Der Kassationshof wird überprüfen, ob das Urteil korrekt war. Sollte der Richterspruch bestätigt werden, muss das Parlament über eine Hinrichtung entscheiden. Sollte das Urteil verworfen werden, wird der Fall an das Staatssicherheitsgericht zurück verwiesen.

Die PKK versucht derzeit, sich aus der Türkei zurückzuziehen. Sie will so eine «Chance für den Frieden» schaffen. Am Freitag hatte sich eine PKK-«Friedensgruppe» als «Zeichen des guten Willens» den türkischen Behörden gestellt. Die PKK-Rebellen hatten Briefe der PKK- Führung unter anderem an Staatspräsidenten Süleyman Demirel, Ministerpräsidenten Bülent Ecevit und den Generalstab bei sich. Nach Angaben von Anadolu sitzt die achtköpfige Gruppe nun im im ost- anatolischen Gefängnis in Mus. Das Staatssicherheitsgericht habe ihre Verlegung von Van in das Gefängnis in Mus verfügt.

Bei Kämpfen zwischen der PKK und dem türkischen Militär sind in den vergangenen 15 Jahren nach türkischen Angaben mehr als 32 000 Menschen getötet worden.

Der inhaftierte Öcalan erklärte, dass sich die PKK im Jahr 2000 ergeben werde, falls die Türkei umfassende juristische und politische Reformen durchführe. Die PKK treffe bereits entsprechende Vorbereitungen, hieß es in einer am Dienstag verbreiteten Erklärung der Öcalan-Anwälte.