Tagesspiegel, 2.10.1999

Kompromissloser Ecevit

Bei der Lösung des Zypern-Problems tun sich die USA mit dem Regierungschef in Ankara schwer

Thomas Seibert

Die Atmosphäre war eisig. US-Senator Joseph Biden fragte den türkischen Ministerpräsidenten Bülent Ecevit bei einem Gespräch in Washington diese Woche mehrmals, ob das Zypern-Problem aus Sicht Ankaras tatsächlich erledigt sei, was sein Gast stets bejahte. Als der Senator seine Frage trotzdem noch einmal wiederholt, platzte Ecevit schließlich der Kragen, wie türkische Zeitungen berichteten. "Ich sage es zum letzten Mal", zischte der türkische Premier den Senator an. "Das Zypern-Problem hat sich 1974 erledigt. Habe ich mich klar ausgedrückt?"

Beim Thema Zypern ist mit Bülent Ecevit nicht zu spaßen. Schließlich war er es, der in seiner ersten Amtszeit als Ministerpräsident im Jahr 1974 den türkischen Truppeneinmarsch im Nordteil der Mittelmeerinsel befahl, nachdem Griechenland mit einem Putsch in Nikosia den Anschluss Zyperns an Athen durchsetzen wollte.

Von neuem Schwung ist keine Spur

Vorsichtiger als Senator Biden ging deshalb der amerikanische Präsident Bill Clinton bei seinem Treffen mit Ecevit mit dem sensiblen Thema um. Clinton gab dem Premier sein Wort, dass es auf Zypern kein Zurück zu den Verhältnissen vor der Teilung 1974 geben werde. Das sei eine "historische" Aussage, jubeln einige Beobachter in der Türkei bereits. Doch besonnenere Zeitgenossen weisen ihre Landsleute darauf hin, dass Ankara in den kommenden Wochen und Monaten beim Ringen um eine Lösung der Zypern-Frage noch gehörig unter Druck geraten könne.

Washington hatte gehofft, während des Ecevit-Besuches den neuen Schwung in den türkisch-griechischen Beziehungen zu Fortschritten in der Zypern-Frage nutzen zu können. Doch daraus wurde nichts. Zusammen mit der nur von ihr anerkannten "Türkischen Republik Nordzypern" ist die Regierung des Ministerpräsidenten in Ankara nach wie vor der Ansicht, dass der türkische Teil der Mittelmeerinsel als gleichberechtigtes Gegenüber der griechischen Inselrepublik anerkannt werden muss, bevor Verhandlungen über eine Friedenslösung überhaupt beginnen können: Aus türkischer Sicht ist die Teilung der Insel eine Tatsache, die endlich auch von der internationalen Staatengemeinschaft zur Kenntnis genommen werden muss.

Doch auch wenn es die türkische Seite gerne hätte - mit Clintons Versprechen, auf Zypern werde nichts mehr so sein wie vor 1974, sind die USA keinesfalls auf die Seite Ankaras übergewechselt. Vielmehr handele es sich bei der Aussage Clintons um dieOuvertüre einer breiter angelegten Zypern-Initiative der Amerikaner, analysiert der türkische Leitartikler Erdal Güven. Clinton ließ Ecevit nämlich auch wissen, dass er in der kommenden Woche seinen neuen Zypern-Sondergesandten Alfred Moses auf die Mittelmeerinsel schicken werde.

Moses soll nach dem Willen der USA einen neuen Anlauf zur Lösung des Problems unternehmen - und die USA erwarteten die Hilfe der Türkei dabei. Zu den Vorschlägen Washingtons gehört eine staatspolitische Dreier-Konstellation für Zypern: Griechen und Türken erhalten ihre eigenen autonomen Gebiete auf der Insel, die jedoch unter dem Dach eines "Gesamtstaates" stehen sollen. Die Nato soll für die Sicherheit sorgen. In der Türkei wurde dieser Plan bisher als absolut lächerlich verworfen.

Clinton hat sich für November angesagt

Doch diese Haltung wird in nächster Zeit möglicherweise nicht mehr ausreichen. Clinton hat sich für November in der Türkei angesagt, wo er zunächst Gespräche mit der Staatsspitze in Ankara führen und anschließend am OSZE-Gipfel in Istanbul teilnehmen wird. Es wird allgemein erwartet, dass Clinton dann in Sachen Zypern erste Ergebnisse sehen will. "Clinton hat Ecevit mit einer Geste beruhigt", schreibt Leitartikler Güven. "Mal sehen, ob Ecevit im November auch Clinton beruhigen kann."