taz, 2.10.1999

Knastrevolte beendet

Die türkische Regierung will Tod von zehn Häftlingen untersuchen

Istanbul (taz) - Der Aufstand in 7 türkischen Gefängnissen ist gestern ohne weiteres Blutvergießen weitgehend beendet worden. Die Gefangenen ließen bis Mittag 57 Geiseln frei. Lediglich in einem Gefängnis in Istanbul verweigerten die Häftlinge die Freilassung von 17 Aufsehern. Die Freilassung der Geiseln sei nicht das Ergebnis eines Handels mit den Häftlingen gewesen, behauptete der Istanbuler leitende Staatsanwalt Ferzan Cikici gestern. Aus anderen Quellen wurde jedoch bekannt, dass den Aufständischen zumindest eine unabhängige Untersuchung der Stürmung des Gefängnisses in Ankara, bei der 10 Gefangene getötet wurden, zugesagt wurde.

Die Meuterei begann am vergangenen Wochenende im Zentralgefängnis in Ankara, als die Polizei eine Zellenrazzia startete, weil Häftlinge angeblich einen Fluchttunnel gebuddelt hatten. Als die Häftlinge sich zur Wehr setzten und dabei einige Vollzugsbeamte als Geiseln nahmen, stürmten Polizei- und Jandarma-Einheiten den Knast. Zurück blieben 10 tote Häftlinge und etliche Verletzte, darunter auch Polizei- und Vollzugsbeamte. Binnen Stunden revoltierten die Gefangenen in sieben weiteren Knästen der Türkei und nahmen insgesamt 74 Wächter als Geiseln.

Die Gefangenen gehören überweigend zu der linksextremen Organisation Dev-Sol und konnten sich offenbar über Handy untereinander verständigen. Neben Staatsanwalt Ferzan Cikici war der Leiter der Istanbuler Anwaltskammer, Yücel Sayman, an der Beilegung des Konflikts beteiligt. Sayman sagte anschließend, die Gefängnisverwaltungen werden auch die Zusammenlegungswünsche von Häftlingen berücksichtigen.

Jürgen Gottschlich