taz, 28.8.1999

Kommentar

Besser als nichts

Ankara beschließt Schmalspur-Amnestie für reuige PKKler

Eigentlich wollte Ministerpräsident Bülent Ecevit sein Amnestiegesetz unmittelbar nach der Gefangennahme von PKK-Chef Abdullah Öcalan durchs Parlament bringen - als Signal dafür, dass der türkische Staat bereit ist, reuige Sünder wieder in seine Arme zu schließen. Im Frühjahr blieb das im Wahlkampf auf der Strecke, und auch jetzt gab es hinhaltenden Widerstand, vor allem aus den Reihen von Ecevits Koalitionspartner, der nationalistischen MHP. Wohl auch deshalb ist aus dem Signal nun nicht viel mehr geworden als ein Pfeifen im Walde.

Trotzdem: Das nun beschlossene Gesetz ist besser als nichts, weil es einen komplizierten Prozess des Umdenkens gibt, einen Prozess, in dem aus Feinden, denen jede Menschlichkeit abgesprochen wurde, wieder Menschen werden; Gegner, aber Gegner, mit denen man spricht, statt zu schießen. Die PKK hat das verstanden und spielt ihren Part im politischen Pingpong zur Zeit sehr geschickt. So sprach die PKK-Führung "dem türkischen" Volk ihr Beileid angesichts der Erdbebenkatastrophe aus, und alle Zeitungen berichteten darüber. Die PKK erklärte, man werde angesichts der Katastrophe den ursprünglich geplanten Rückzug aus der Türkei sofort beginnen und alle Kampfhandlungen einstellen. Es scheint, als habe die PKK endlich begriffen, wie sie in der türkischen Bevölkerung Punkte sammeln kann.

Schön wäre nun gewesen, wenn auch die türkische Regierung die Größe gehabt hätte, eine Generalamnestie zu verkünden. Das wäre ein großer Schritt zum Frieden gewesen. Doch selbst die PKK ist realistisch genug zu wissen, dass dies nicht zu erwarten war, und zwar nicht nur aufgrund der Beschaffenheit der Regierung. Auch die jetzige Opposition hätte keine Generalamnestie zustande gebracht. Für die kurdische Seite ist es deshalb klug, auch die Schmalspur-Amnestie zu begrüßen.

Die eigentliche Arbeit für den Frieden hat - hinter der offiziellen Rhetorik - längst begonnen. Das wichtigste Signal dafür war der Empfang aller Bürgermeister der "Demokratischen Volkspartei" Hadep durch Staatspräsident Demirel. Die Vertreter der mit einem Verbotsantrag bedrohten kurdischen Partei, die bei den Wahlen im April alle größeren Städte im kurdisch besiedelten Südosten gewonnen hatte, konferierten mit dem Staatspräsidenten über die Lösung der Kurdenfrage. Offiziell hat Demirel nichts anderes getan, als ein paar Bürgermeister zu empfangen. Tatsächlich war es ein Beginn für den offiziellen türkisch-kurdischen Dialog.

Jürgen Gottschlich