Frankfurter Zeitung 31.8.1999

Unmut über den "stillen Krieg" gegen Irak wächst

Kritische Stimmen bei den UN und in den USA werden lauter / Kongress-Abgeordnete ignorieren Reiseverbot

Der "stille Krieg", den die US-Amerikaner und Briten seit dem Abzug der UN-Waffenkontrolleure gegen Irak führen, gerät zunehmend in die Kritik.

WASHINGTON, 30. August (dpa). Bei den Vereinten Nationen in New York wie auch in Washington wird die Forderung immer lauter, die Politik gegenüber Irak neu zu bestimmen. Außer von den internationalen Sanktionen wird diese seit acht Monaten von einem Katz- und Maus-Spiel alliierter Flugzeuge und der irakischen Luftabwehr in den Flugverbotszonen bestimmt. Kritiker bezeichnen die Strategie als Fehlschlag. Den einen geht sie nicht weit genug, weil es an einer wirkungsvollen Überwachung von Bagdads Waffenarsenalen fehle. Die anderen sehen die irakische Zivilbevölkerung als unschuldiges Opfer. In einem offenen Konflikt mit dem US-Außenministerium sind jetzt fünf Mitarbeiter des Kongresses trotz des offiziellen Reiseverbots nach Irak aufgebrochen, um sich dort ein Bild zu machen.

Die wechselseitigen militärischen Nadelstiche haben nach den massiven Luftangriffen der "Operation Wüstenfuchs" begonnen, mit der US-Amerikaner und Briten am 17. Dezember 1998 darauf reagierten, dass Bagdad die Waffenkontrolleure der Vereinten Nationen brüskiert hatte. Staatschef Saddam Hussein fordert die Alliierten in den Flugverbotszonen nördlich des 36. und südlich des 33. Breitengrades immer wieder heraus, und die Piloten der USA und Großbritanniens schießen zurück. Rund 1100 Raketen schlugen in weit mehr als 300 Zielen ein. Dabei kamen nach Angaben der Iraker zahlreiche Zivilisten ums Leben.

Die Verbündeten sahen in Saddams Taktik zunächst ein unerwartetes "Geschenk", das es ihnen erlaubte, den Diktator von Bagdad ohne große internationale Proteste einzudämmen und zu schwächen. Weil aber kein Ende abzusehen ist, werden Beamte in Washington und London unruhig. Sie halten eine unbegrenzte Fortsetzung dieses Katz- und Maus-Spiels für problematisch.

In der US-Hauptstadt wurde der Ruf nach einem härteren Vorgehen gegen Bagdad laut. Acht Kongresspolitiker mit Senatsführer Trent Lott an der Spitze forderten US-Präsident Bill Clinton auf, die Angriffsziele von Radar- und Abwehrstationen auf Militärstützpunkte und Kommandostellen auszudehnen, die irakische Opposition zu bewaffnen und Saddam ultimativ aufzufordern, sich neuen Waffenkontrollen zu fügen.

Doch dieses Verlangen findet keine ungeteilte Zustimmung. Die Regierung selbst vertritt die Auffassung, eine stärkere Unterstützung der zersplitterten Opposition sei erst dann sinnvoll, wenn diese geschlossener auftrete. Andere befürchten, dass die Kritiker der Isolierungspolitik durch eine härtere Gangart Aufwind bekämen.

Im UN-Sicherheitsrat plädieren Frankreich, Russland und China dafür, als Gegenleistung für neue Waffenkontrollen die Sanktionen zu lockern. Briten und Niederländer haben, mit dem Segen der USA, einen Resolutionsentwurf für ein neues Inspektionsregime in Irak vorgelegt. Er geht den "kritischen Drei" aber nicht weit genug, weil Sanktionen erst nach achtmonatigem Wohlverhalten Bagdads gelockert werden sollen.