taz, 26.8.1999

Warten auf eine neue Asylpolitik

Pro Asyl wirft Bundesregierung vor, Menschenrechtsverstöße zu verharmlosen, um Flüchtlinge leichter abschieben zu können

Berlin (taz) - An Joschka Fischers Händen klebt Blut. So kann man zumindest die Kritik von Pro Asyl interpretieren. "Es ist völlig unverständlich, dass der Außenminister, der im Kosovo den Krieg als ein Mittel gegen ethnische Säuberungen sah, bei den Situationsbeschreibungen zum Irak zulässt, dass Menschenrechtsverletzungen vergleichbaren Umfangs unter den Tisch fallen", bemängelt Heiko Kaufmann, Sprecher von Pro Asyl. Er präsentierte gestern den Bericht "Irak - Republik des Schreckens - Der Lagebericht des Auswärtigen Amtes zum Irak und die Realität". Befund: Es kanthert hinter der freundlichen rot-grünen Fassade. Wie unter Helmut Kohl werde die Situation im Irak, eines der weltweit menschenverachtendsten Regime, beschönigt. Zwar, so Pro Asyl, konstatiere das Auswärtige Amt, dass es sich beim Irak um einen totalitären Staat handele. Menschenrechtsverletzungen und Verfolgung würden jedoch als zusammenhanglose Anhäufung von Einzelfällen dargestellt. Dabei sei die systematische Außerkraftsetzung aller Menschenrechte Voraussetzung der Herrschaft der Baath-Partei.

Im Gegensatz zu UN-Berichten behauptet das Auswärtige Amt (AA), dass eine Gruppenverfolgung ethnischer Gruppen und religiöser Minderheiten nicht stattfinde. "Offensichtlich weiß das Auswärtige Amt nichts von der Unterdrückung der schiitischen Kurden, der sogenannten Marsch-Araber, der Turkmenen und christlichen Assyrer", so der Sprecher von Pro Asyl. Auch hinsichtlich der Bewertung der Situation im Nordirak beschönige der Lagebericht und versuche, ihn als innerstaatliche Fluchtmöglichkeit für Kurden darzustellen. Diese Einschätzung geht auf den ehemaligen Innenminister Manfred Kanther zurück, der 1997 darauf drängte, den Nordirak als inländische Fluchtalternative zu deklarieren. Der Grund: Die Anerkennungsquote von kurdischen Asylsuchenden aus dem Irak war ihm zu hoch. Nachdem der Lagebericht 1997 weichgezeichnet wurde, sank die Anerkennungsquote von 90 auf 50 Prozent. Kaufmann unterstellt dem AA, mit dem Lagebericht innenpolitische Interessen zu bedienen. Ein Vorwurf, der die Mitarbeiter des AA treffen dürfte. Schließlich arbeiten sie daran, ihr Image zu verbessern. Die Lageberichte, in denen das AA alle asyl- und abschieberelevanten Tatsachen in den Herkunftsländern von Asylbewerbern beschreibt, soll nach Willen Fischers einen neuen Anstrich bekommen.

Bereits am 10. Juli kündigte das AA an, dass es künftig vierteljährlich mit Vertretern von regierungsunabhängigen Organisationen und dem UN-Flüchtlingskommissar einen Dialog über die Lage in den Herkunftsländern führen wird. Künftig soll stärker mit örtlichen Menschenrechtsorganisationen zusammengearbeitet werden. Als erstes, so das AA, soll der umstrittene Lagebericht Türkei nach dem neuen Verfahren erstellt werden. Aber gut Ding will Weile haben. Und so können das Bundesamt für die Anerkennung politischer Flüchtlinge sowie die Oberverwaltungsgerichte weiter munter auf Grundlage schwarz-rot-grüner Lageberichte abschieben.

Eberhard Seidel