Frankfurter Rundschau, 28.8.1999

Teil-Amnestie für Mitglieder der PKK beschlossen

"Reue-Gesetz" des Parlaments verspricht Straffreiheit unter engen Auflagen

Von Gerd Höhler

ATHEN, 27. August. Mit einem sogenannten Reue-Gesetz hat das türkische Parlament am Donnerstagabend Angehörigen der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK den Weg in die Legalität geöffnet. Das auf sechs Monate befristete Gesetz sieht Straffreiheit für jene PKK-Mitglieder vor, die nicht an Kämpfen oder Terrorakten beteiligt waren, keine Vorstrafen haben, sich freiwillig stellen und "mit ihren Geständnissen helfen, weitere Straftaten zu verhindern". Verurteilte PKK-Angehörige und solche, die in Untersuchungshaft sitzen, - etwa 5000 - bleiben von der Teil-Amnestie ebenso ausgenommen wie jene, gegen die bereits Ermittlungsverfahren laufen. Deshalb wird der vor zwei Monaten zum Tode verurteilte PKK-Chef Abdullah Öcalan von dem Gesetz nicht profitieren können.

Bereits in der Vergangenheit hatte die Regierung reuigen PKK-Kämpfern mehrfach Straffreiheit versprochen. Dies blieb aber ohne nennenswerte Resonanz, weil ungewiss schien, wie die Amnestie in der Praxis gehandhabt würde. Das ist auch jetzt unklar. Die in den vergangenen zwei Jahren militärisch stark geschwächte PKK dürfte inzwischen nur noch über 3500 Kämpfer verfügen. Nachdem Öcalan und der PKK-Führungsrat den bewaffneten Kampf für beendet erklärten, stehen sie vor einer ungewissen Zukunft. Daran ändert auch das neue Reue-Gesetz nichts.

Unklar ist weiterhin, wie die Rebellen nachweisen sollen, dass sie nicht in Kämpfe oder Anschläge verwickelt waren. Schon die Zugehörigkeit zur Kurden-Guerilla könnte von den Strafverfolgern als Beweis des Gegenteils herangezogen werden. Dass die PKK-Kämpfer nun in großer Zahl ihre Waffen niederlegen und sich stellen, ist deshalb eher unwahrscheinlich. Überdies haben die Rebellen laut PKK-Führung Mitte der Woche damit begonnen, sich aus der Türkei zurückzuziehen, vermutlich nach Nord-Irak. Auch das deutet nicht auf eine Kapitulation hin.

Obwohl das Gesetz weit hinter den PKK-Forderungen zurückbleibt, fand es ein positives Echo. Die "kurdische Seite" sehe das Gesetz als Schritt, der dem Friedensprozess diene, sagte Mehmet Dogan vom politischen Flügel der PKK, der offenbar davon ausgeht, dass sich zahlreiche Rebellen stellen werden. "Die Kämpfer in den Bergen werden die ersten sein, die dieses Gesetz begrüßen", sagte er.