ap 28. August 1999, 17:42 Uhr

Amnestiegesetz für Zehntausende türkische Häftlinge gebilligt

Inhaftierte Bauunternehmer ausgenommen

Ankara (AP) Das türkische Parlament hat fast der Hälfte aller Häftlinge des Landes Straffreiheit gewährt. Ein entsprechendes Gesetz billigten sowohl die Abgeordneten als auch Staatspräsident Süleyman Demirel am Samstag. Justizminister Hikmet Sami Türk sagte in Ankara, 26.538 Gefangene könnten innerhalb von 20 Tagen freigelassen werden. Von der Amnestie ausgeschlossen sind inhaftierte Bauunternehmer, denen Fahrlässigkeit beim Bau vorgeworfen wird. Bei dem schweren Erdbeben am 17. August stürzten im Nordwesten der Türkei zahllose Häuser ein, mehr als 13.000 Menschen kamen ums Leben.

Die Amnestie gilt dem Gesetz zufolge für die meisten Gefangenen, die zu Strafen von weniger als zwölf Jahren verurteilt wurden sowie für sämtliche jugendlichen Straftäter. Wegen Hochverrats inhaftierte Kriminelle und alle nach dem 23. April verurteilten Täter wurden von der Straffreiheit ausgenommen. Ausgeschlossen sind auch mehr als 10.000 kurdische Aktivisten und Terroristen, darunter der Chef der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK), Abdullah Öcalan. Wegen Vergewaltigung, Korruption und verbrecherischer Brandrodung verurteilten Häftlingen soll ebenfalls keine Amnestie gewährt werden.

Türk sagte, das Gesetz diene der Wiedereingliederung der Gefangenen in die Gesellschaft. Innerhalb der kommenden Jahre sollten bis zu 32.000 weitere Häftlinge freigelassen werden. In den überfüllten türkischen Strafanstalten sitzen rund 69.000 Gefangene; Aufstände, Geiselnahmen und Hungerstreiks sind weit verbreitet.

Demirel billigte darüber hinaus Änderungen im Strafrecht, nach denen die Dauer der Gefängnisstrafen für der Folter überführte Polizisten und andere Beschäftigte im öffentlichen Dienst auf bis zu acht Jahre verdoppelt wird. Menschenrechtsorganisationen begrüßten diesen Schritt.