junge Welt, 28.8.1999

Was will die PDS im Kölner Rat?

jW sprach mit Sengül Senol, die zu den Kommunalwahlen am 12. September kandidiert

(Bis vor kurzem saß die deutsche Alevitin und Kurdin noch für die Grünen im Kölner Rat. Bei den Kommunalwahlen am 12. September kandidiert sie auf Platz eins der offenen PDS-Liste. Die Partei hat sie gleichzeitig für das Amt des Oberbürgermeisters aufgestellt)

F: Bisher haben Sie für die Grünen im Kölner Rat gesessen. Weshalb sind Sie jetzt zur PDS gewechselt?

Seitdem sich die Grünen in Bonn an der Regierung beteiligen, haben sie viele ihrer Grundsätze aufgegeben, etwa in der Haltung gegenüber der Türkei und dem Konflikt in Kurdistan. Und dann war da der Kosovo-Krieg. Sie warfen ihren Pazifimus über Bord, und da konnte ich nicht mehr mitmachen.

Eine große Rolle dabei hat gespielt, daß ich selber im Krieg groß geworden bin. Das ist auch ein Grund, weshalb ich in Deutschland bin. Als ich dann gesehen habe, daß Deutschland diesen Krieg führt - unter einer rot-grünen Regierung - wollte ich dagegenhalten. Ich bin aus Protest aus den Grünen ausgetreten und habe die Zusammenarbeit mit der PDS aufgenommen. Ich trete für sie an, weil ich will, daß eine neue oppositionelle Kraft in den Rat kommt, damit es dort wieder ein politisches Gleichgewicht gibt.

F: Sie sind 1980 nach dem NATO-Militärputsch in der Türkei in die BRD gekommen.

Ja. Ich habe den Putsch dort miterlebt, und er war auch der Grund, weshalb wir, meine Familie und ich, ausgewandert sind, auswandern mußten. Ich bin als Flüchtlingskind nach Deutschland gekommen. Nun muß ich mitansehen, daß auch die rot-grüne Regierung Waffen an die Türkei liefert, daß auch weiterhin mit unseren Steuergeldern unsere Heimat zerbombt wird. Ich bin erst vor kurzem zu Hause gewesen. Die Menschen dort haben mir gesagt: »Gut, daß Du den Grünen den Rücken gekehrt hast.« Sie hatten anderes von den Grünen erwartet.

F: Ein Problem für ausländische Einwanderer ist die schwierige Einbürgerung. Was kann auf der lokalen Ebene unternommen werden, um die Einbürgerung zu erleichtern?

Im Augenblick dauert es zwei bis drei Jahre, bis ein Antrag bearbeitet ist. Wir brauchen also mehr Stellen in der Behörde. Das Interesse ist groß, sich einbürgern zu lassen, aber es fehlt vor allem an Personal. F: Also mehr Arbeitsplätze. Eine Sorge aber treibt alle Kölner um: die Arbeitslosigkeit.

Ich werde mich dafür einsetzen, daß die Arbeitslosigkeit bekämpft wird, daß mehr Arbeitsplätze geschaffen werden. Alle Menschen, auch die, die seit 40 Jahren in Deutschland leben, sollten das Recht auf Arbeit oder einen Ausbildungsplatz bekommen. Da sollten Ungerechtigkeiten auch für Migranten aufgehoben werden.

Es müssen einfach mehr Arbeitsplätze geschaffen werden. Ich denke, in dieser Stadt muß mehr investiert werden. Und es muß eine sozial-gerechtere Haushaltspolitik her, die ausgewogener verteilt und auch benachteiligte soziale Gruppen berücksichtigt.

F: Die Kölner SPD setzt für jugendliche Sozialhilfeempfänger auf Arbeitszwang. Ist das ein denkbarer Weg zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit?

Nein. Das ist die falsche Methode. Man sollte die Jugendlichen sensibilisieren, man sollte nach den Ursachen fragen, weshalb sie keine Arbeit finden und als junge Menschen schon zu Langzeitarbeitslosen werden. Es gibt dieses Dilemma: Wenn man lange arbeitslos ist, wird es schwierig, den Einstieg in die Arbeit wieder zu finden. Es gibt hier in Köln auch Jobbörsen, wo Jugendlichen gezielt Stellen angeboten werden, aber das hat bisher nicht viel gebracht. Dafür muß zum Beispiel auch Personal speziell ausgebildet werden.

Interview: Wolfgang Pomrehn