Freie Presse 28.8.1999

Extremisten breiten sich immer weiter im Internet aus

Bonn (dpa) - Anleitungen zum Bombenbau, Aufrufe zur Gewalt, Polit- Propaganda und Mitgliederwerbung für Extremisten - das alles kann auch in Deutschland ohne große Mühe über das Internet gefunden werden.

Die Verfassungsschützer sind äußerst besorgt darüber, dass sich die Extremisten uneingeschränkt und unaufhaltsam immer weiter im Internet ausbreiten. Allein die Zahl der Web-Angebote deutscher Rechtsextremisten hat sich von 200 im vergangenen Jahr nach Angaben des Kölner Bundesamtes für Verfassungsschutz schon auf 300 in diesem Jahr erhöht. Der Präsident der Behörde, Peter Frisch, bezeichnete am Freitag die Lage als «sehr Besorgnis erregend». Auch die Linksextremisten versuchen mittlerweile durch mehr als 300 Angebote multimedial Kontakte zu knüpfen.

Insbesondere die neuesten Entwicklungen im Internet alarmieren: Militante Linksextremisten rekrutieren zunehmend hier ihren Nachwuchs. Im Internet-Rechtsextremismus wurde erst vor wenigen Wochen mit einem Mordaufruf und einem ausgesetzten Kopfgeld von 15 000 Mark eine weitere Schwelle überschritten. Auch extremistische Organisationen aus dem Ausland verbreiten nach den Untersuchungen der Experten uneingeschränkt Propaganda nach Deutschland und sammeln über den Cyber-Weg Gelder. Der Internet-Relay-Chat macht den direkten ungehinderten Kontakt mit Extremisten zumindest theoretisch von jedem Internet-Anschluss möglich.

Die Extremisten weichen mit ihren Homepages zumeist auf Internet- Anbieter im Ausland, zum Beispiel USA, Kanada, Dänemark oder Niederlande aus. Dort ist etwa das Leugnen des Massenmordes der Nationalsozialisten keine Straftat - wie in Deutschland -, sondern durch die Verfassung oder liberale Gesetze als freie Meinungsäußerung geschützt.

Schon seit Ende der 80-er Jahre nutzen Linksextremisten die neuen elektronischen Kommunikationsmedien, zunächst Mailboxen, inzwischen eben verstärkt das Internet, um sich selbst darzustellen und die eigenen Parolen zu verbreiten. So bezeichnet die militante «Autonome Antifa», Göttingen, das Internet als «uneinnehmbare Bastion, die nicht dem Zugriff deutscher Behörden unterliegt». Dabei kommt den Extremisten zugute, dass im «Netz der Netze» Zensurversuche technisch fast immer ins Leere laufen, da die verbotenen Inhalte sofort an anderer Stelle wieder auftauchen können.

Seit 1997 ist die Hompage der «Informationsstelle Kurdistan» (ISKU) bekannt. Dabei handelt es sich um eine bundesweite «Kontakt- und Vernetzungsstelle» von Gruppierungen und Initiativen der deutschen «Kurdistan-Solidarität», in denen Angehörige des linksextremistisch-terroristischen Lagers mitarbeiten. Die ISKU betreibt insbesondere Öffentlichkeitsarbeit zu Gunsten des kurdischen «Befreiungskampfes». Es bestehen Kontakte zur in Deutschland verbotenen «Arbeiterpartei Kurdistans» (PKK) und deren Einrichtungen in der Bundesrepublik sowie im Ausland, erläuterte ein Verfassungsschützer.

Die Zahl deutscher rechtsextremistischer Hompages erhöht sich nach den Erkenntnissen des Verfassungsschutzes «sprunghaft». Rechtsextremistische Parteien verfügten über ein breit gefächertes Internet-Angebot. Um sich den Maßnahmen staatlicher Stellen zu entziehen, arbeiten die Neonazis an der Errichtung neuer Strukturen und forcieren den Aufbau «autonomer» Kameradschaften. Dabei sollen statt fester, vereinsmäßiger Zusammenschlüsse lose, organisationsunabhängige Strukturen geschaffen und der Aufbau eines Netzwerkes regionaler Gruppierungen betrieben werden, die weitgehend selbstständig agieren. Die Nutzung von Internet, Mailboxen und Info- Telefonen sind Teil rechtsextremistischer Strategie.

Frisch macht darauf aufmerksam, es werde immer gefährlicher, wie die Verfassungsfeinde jeder Couleur das Internet nutzen. Auf diesen Wegen würden nationale und internationale Kontakte geknüpft und eine nahezu unkontrollierbare Propaganda und Agitation betrieben. Die extremistischen Inhalte im Internet können nach Darstellung der Verfassungsschützer national nur zum Teil erfolgreich bekämpft werden. Es seien letztlich internationale Lösungen erforderlich, die aber angesichts der unterschiedlichen Rechtsanschauungen der einzelnen Staaten gegenwärtig nicht absehbar sind.