junge Welt 26.8.1999

PKK beginnt ihren Abzug Rückzug aus Türkei wegen Erdbeben vorverlegt. Gegenleistung erwartet

Die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) hat nach eigenen Angaben nach 15 Jahren bewaffnetem Kampf mit dem Abzug aus der Türkei begonnen. Damit komme die Partei einem Aufruf ihres zum Tode verurteilten Vorsitzenden Abdullah Öcalan nach, teilte der PKK- Kommandorat am Mittwoch in einer Erklärung mit, die von der kurdennahen Nachrichtenagentur DEM in Ankara verbreitet wurde. »Unsere bewaffneten Einheiten haben noch vor dem 1. September mit dem Abzug aus Nord-Kurdistan begonnen«, heißt es in der Erklärung des obersten Führungsgremiums der PKK. Der Abzugsbeginn sei wegen des Erdbebens im Westen des Landes vorverlegt worden. »Die einseitige Beendigung des Krieges in der Zeit dieser verheerenden Katastrophe ist die größte Unterstützung für den türkischen Staat und seine Bevölkerung«, hieß es.

Die PKK erklärte zudem einen einseitigen Waffenstillstand mit der rivalisierenden Demokratischen Partei Kurdistans (DPK), die sich mit der Patriotischen Union Kurdistans (PUK) die Kontrolle über die autonome Kurdenregion im Norden Iraks teilt. Die DPK hat die türkischen Streitkräfte bei Offensiven in Nordirak gegen die PKK unterstützt. Dagegen stellte sich die PUK wiederholt auf die Seite der PKK.

Angaben zur Zahl der abziehenden Kämpfer und zu deren Rückzugsgebiet machte die PKK indes nicht. Die Partei hatte bereits vor drei Wochen angekündigt, den seit 1984 dauernden bewaffneten Kampf einzustellen. Die türkische Regierung unter Ministerpräsident Bülent Ecevit gab zunächst keine Stellungnahme zum verkündeten Rückzugsbeginn ab. Nach amtlichen Angaben wurden aber bei neuen Gefechten in den osttürkischen Provinzen Hakkari und Van zehn PKK-Kämpfer getötet.

Die PKK betonte, daß die Dauer des weiteren Abzugs von der Türkei abhängig sei. »Um den Abzug unserer Truppen zu beschleunigen, muß der türkische Staat zu den für den Frieden erforderlichen Arbeiten beitragen.« Auch die Verantwortung für mögliche neue Kämpfe liege nun bei der türkischen Armee. In dem Krieg wurden seit 1984 vor allem in der Südosttürkei, aber auch bei Anschlägen in anderen Teilen des Landes, etwa 31 000 Menschen getötet.

Seit dem Appell Öcalans wird darüber gerätselt, welche Rückzugsbasen für die PKK in Frage kommen. Dabei gilt der Norden Iraks als wahrscheinlichstes Gebiet. In der türkischen Presse wird auch der Nordwesten Irans als weiteres mögliches Rückzugsgebiet genannt. Einzelheiten zum Abzug will die PKK nach eigenen Angaben erst am 1. September nennen. Zugleich erhob die Kurdische Arbeiterpartei wegen der Probleme bei den Rettungsarbeiten nach dem Erdbeben in der vergangenen Woche Vorwürfe gegen den türkischen Staat. Der Staat habe seit 15 Jahren Krieg gegen die Kurden geführt und die türkische Gesellschaft deshalb »unvorbereitet auf eine solche Katastrophe gelassen«.

(AFP/AP/jW)