Frankfurter Rundschau 23.8.1999

Für die unnötige Abschiebung muss die Kurdin auch noch zahlen

Behörde schaffte Schwangere außer Landes, obwohl klar war, dass sie zurück durfte / Anwältin rügt übertriebene Härte

Von Eva Weikert (Frankfurt a. M.)

Im nordrhein-westfälischen Höxter hat das Ausländeramt eine schwangere Kurdin abschieben lassen. Die Behörde wusste jedoch: Die Frau darf wiederkommen, weil sie sich in Deutschland verlobt hatte.

Gesetze haben für besondere Schicksale zu wenig Fantasie. Stellen sich zudem ihre Verwalter stur, kann das Leid und unnötige Kosten mit sich bringen. Eine schwangere Kurdin hat das am eigenen Leib erfahren müssen. Jetzt ist die 25-jährige Zarik U. zurück in Deutschland und hat hier ihr Kind zur Welt gebracht. Ausgestanden ist die Sache für sie trotzdem nicht: Die Kurdin und ihr Mann müssen - so berichtet ihre Anwältin - Abschiebungskosten von 2500 Mark übernehmen. Ebenso die Rechnung für die Arztbehandlung, die die junge Frau nach einem Schwächeanfall in der Abschiebehaft benötigte. Zarik U. hatte 1996 in der Bundesrepublik Asyl beantragt. Als Grund gab sie an, wegen ihres yezidischen Glaubens in ihrer Heimat Armenien verfolgt zu werden. Das Gesuch wurde abgelehnt. Daraufhin tauchte die junge Frau unter. Für die Beamten von der zuständigen Kreisverwaltung Höxter war das "ein Signal", sagt Pressesprecher Bernhard Stadermann. Als die Polizei Zarik U. im vergangenen Februar in Niedersachsen aufgriff, baten die Beamten in Höxter ihre Hannoveraner Kollegen, Abschiebehaft zu veranlassen. "Um zu vermeiden, dass sie wieder untertaucht", sagt Stadermann.

Am 23. März setzten Beamte des Bundesgrenzschutzes die Yezidin ins Flugzeug nach Jerewan. Zarik U. war damals im fünften Monat schwanger und hatte einen Heiratstermin am Standesamt erbeten. Sie war mit einem aus der Türkei stammenden Yeziden verlobt, der als anerkannter Flüchtling bei Hannover lebt.

Die Yeziden sind eine Religionsgemeinschaft vorwiegend von Kurden aus Nordirak, der Türkei, Syrien und dem Kaukasus. Die Bundesrepublik geht von einer Gruppenverfolgung der Yeziden in der Türkei aus. Ihnen gewährt sie daher Asyl. Zu Armenien gibt es keinen Lagebericht. Flüchtlingsexperten sind sich uneins, ob die religiöse Minderheit in der ehemaligen Sowjetrepublik Hetze ausgesetzt ist.

Die Anwältin der Abgeschobenen, Catrin Hirte-Piel, wirft der Höxter Behörde übertriebene Härte vor. "Das Amt hätte auf Haft verzichten und sie freiwillig ausreisen lassen können, damit sie sich ein Visum bei der deutschen Botschaft in Eriwan besorgt." Weil die Heirat mit einem anerkannten Flüchtling angestanden habe, sei zu erwarten gewesen, dass die Ausweisung "nicht für immer und ewig gilt". Zarik U. habe ein Anrecht auf ein Visum zum Zwecke der Familienzusammenführung gehabt.

In der Tat bewilligte Höxter die Wiedereinreise. Die deutsche Vertretung in Armenien stellte Zarik U. ein Visum aus, worauf die Braut nach Deutschland zurückkehrte, heiratete und ihr Kind zur Welt brachte.

Die Anwältin bezichtigt das Höxter Amt auch der "Schluderigkeit". Es habe dem Oberlandesgericht Hamm, das über die Befreiung vom Ehefähigkeitszeugnis zu befinden hatte, die nötigen Daten viel zu spät übermittelt - nämlich erst nach der Abschiebung. Die Beamten in Höxter weisen die Vorwürfe zurück. "Wir brauchten die Akte hier, um die Abschiebung einzuleiten", sagt Sprecher Stadermann.

Amtsleiter Gerhard Handermann räumt zwar ein, die Yezidin habe "ein besonderes Schicksal". Seine Behörde habe da aber "kein Ermessen". Die Abschiebung sei außerdem selbstverschuldet. "Die Frau hat ihre Chance der freiwilligen Ausreise vertan, als sie untertauchte."