Berliner Zeitung, 22.8.1999

Luftkrieg ohne Grenzen

Alle paar Tage kommen aus dem Verteidigungsministerium in Washington Meldungen, die einander zum Verwechseln ähnlich sind: US-Kampfflugzeuge hätten sich auf einem routinemäßigen Patrouillenflug über dem Nord- beziehungsweise Südirak befunden, heißt es da, sie seien vom feindlichen Radar erfasst worden und hätten daraufhin in Notwehr zurückgeschossen; auf zivile Opfer hätten die USA "keine Hinweise". Auch am Donnerstag spulte ein Pentagon-Sprecher wieder die alte Geschichte ab, doch etwas war neu. Zum ersten Mal in diesem Jahr, räumte der Sprecher ein, seien auch Ziele außerhalb der von Amerikanern und Briten ausgerufenen Flugverbotszonen beschossen worden. Kein Wort verwandte er auf eine Erläuterung, warum die Flugzeuge überhaupt aufgestiegen waren.

Dabei besteht in dieser Frage erheblicher Erklärungsbedarf. Dass es bei den Flügen noch darum gehen könnte, die Kurden im Norden und die Schiiten im Süden des Landes vor Luftangriffen der Armee Saddam Husseins zu schützen, glaubt heute kaum noch jemand, umso weniger, als von Versuchen des irakischen Diktators, das Flugverbot zu durchbrechen, seit Jahren nichts bekannt geworden ist. Die USA müssen sich vielmehr seit Donnerstag des Vorwurfs erwehren, in ihren endlosen Attacken auf die Führung in Bagdad sogar selbst gesteckte Grenzen nicht mehr zu respektieren.