Frankfurter Rundschau 19.8.1999

Nachrichten Extra: Das Erdbeben

Viele Häuser waren illegal gebaut

Nach jedem Beben wird dem Wildwuchs der Kampf angesagt

ISTANBUL, 18. August (afp). Einen Tag nach dem Erdbeben ist zum Schmerz auch die Wut gekommen: Viele Türken beschuldigen Bauherren und Behörden, ihr Unglück mitverschuldet zu haben. Kritisiert werden vor allem die Verantwortlichen für den Schwarzbau, der in der Türkei den Wohnungsbau bestimmt.

Zwei von drei Häusern in der Türkei sind Schwarzbauten, schätzt die türkische Handelskammer. In Istanbul und Ankara lebt mindestens die Hälfte der Bevölkerung in illegal gebauten Häusern. Ursache ist die starke Landflucht in der Türkei. Die Verarmung der Landbevölkerung und der bewaffnete Konflikt mit der PKK haben im vergangenen Jahrzehnt Millionen Menschen in die Großstädte getrieben. Der öffentliche Wohnungsbau kommt nicht nach. Die Menschen helfen sich selbst oder gehen zur Baumafia.

Nach jedem Erdbeben häufen sich die Stimmen, endlich mit dem Wildwuchs aufzuräumen. Innenminister Sadettin Tantan ordnete erst zu Monatsbeginn den Abriss aller Schwarzbauten an. Ersatzwohnungen hatte er nicht vorgesehen. So erfüllte das jüngste Erdbeben die Prophezeiungen, die nach dem Erdstoß von Adana gemacht wurden, bei dem im Sommer 1998 etwa 140 Menschen starben - meist in den Trümmern von Schwarzbauten.