Süddeutsche Zeitung 18.7.1999

Grüne wollen Saddams Vize aus Österreich verbannen

Izzat Ibrahim zur Behandlung in Wien

Der Abgeordnete Pilz stellt Strafanzeige wegen Folter / "Verantwortlich für Giftgasangriffe"

Fk. Wien (Eigener Bericht) - In Österreich bahnt sich eine Justizaffäre um den Stellvertreter des irakischen Diktators Saddam Hussein an. Izzat Ibrahim al Douri, stellvertretender Präsident des Irak, lässt sich in Wien derzeit medizinisch untersuchen. Dafür haben ihm die Behörden ein einmonatiges Visum erteilt. Der Grünenpolitiker und Abgeordnete im Wiener Landesparlament Peter Pilz hat nun förmlich Strafanzeige wegen Folter gegen Izzat Ibrahim gestellt und verlangt, den Saddam-Helfer in Untersuchungshaft zu nehmen.

Pilz begründet seinen Antrag mit einem ganzen Katalog von Verbrechen: Izzat sei für einen Angriffskrieg, den Überfall des Irak auf Kuwait, mitverantwortlich gewesen, der zum Golf-Krieg führte. Izzat trage persönlich Verantwortung für die Verfolgung und Folterung von Oppositionellen, insbesondere sei er der operativ Verantwortliche für die Giftgasangriffe auf kurdische Dörfer und die nordirakische Kurden-Stadt Halabja, dem 1988 mehr als 5000 Menschen zum Opfer fielen.

Die Freiheitlichen (FPÖ) hatten schon zu Monatsbeginn verlangt, Izzat nicht ins Land zu lassen. Jetzt forderte FPÖ-Generalsekretär Peter Westenthaler die sofortige Ausweisung des irakischen Politikers. Innenminister Karl Schlögl hält die Einreiseerlaubnis für Izzat aus humanitären Gründen für gerechtfertigt. Deutlich ausgemergelt kam der hagere General, der neben Saddam immer wegen seines rostroten Haupthaares und dem martialischen Schnurrbart auffällt, in Wien an. Er soll Krebs haben.

Schlögl (SPÖ) und auch das Außenministerium des ÖVP-Vizekanzlers Wolfgang Schüssel berufen sich drauf, dass es für Izzat keinen internationalen Haftbefehl gebe und man deshalb keine Handhabe gegen ihn habe, da er sich im Lande selbst keiner Straftat schuldig gemacht habe. Pilz und andere Kritiker halten dem entgegen, dass Österreich als Unterzeichner des Internationalen Abkommens gegen die Folter sehr wohl berechtigt, ja verpflichtet sei, einen Verdächtigen festzusetzen und der Justiz zu überstellen, am besten dem Menschenrechtstribunal in Den Haag. Nach Ansicht von Pilz hat sich Österreich zu einer Art "Sanatorium für irakische Kriegsverbrecher" entwickelt, nachdem auch schon Vizepremier Tarek Aziz hier versorgt worden sei (angeblich wurde ihm die Nase korrigiert).

In Österreich hat der Umgang mit Hintermännern politisch motivierter Untaten besondere Brisanz: 1989 hat die Justiz drei Iraner, die vier hohe kurdische Unterhändler ermordet haben sollen, laufen lassen. Angeblich geschah dies aus diplomatischer Rücksicht und unter Beteiligung des heutigen Bundespräsidenten Thomas Klestil, damals Generalsekretär des Außenministeriums. Diesen Fall, der noch nicht geklärt ist, nannte Pilz als Warnsignal: Im Fall Izzat müsse sich erweisen, ob Österreich inzwischen "Rechtsstaat" genannt werden könne.