Weser Kurier, 13.08.99

Viele fürchten um Garbi Yildirims Leben

Junger Kurde soll in die Türkei abgeschoben werden

Lilienthal. Er ist 18 Jahre jung, Kurde und sicherlich nicht gerade das, was man einen Musterknaben nennt. Garbi Yildirim ist in seinem jungen Leben öfter mit dem Gesetz in Konflikt geraten, als es ratsam ist - insbesondere für einen Asylbewerber. Jetzt soll er zurück in die Heimat, sitzt bereits in Abschiebehaft. Doch mittlerweile haben sich trotz seines nicht eben tadellosen Lebenslaufes Menschen gefunden, die diese Abschiebung mit allen Mitteln verhindern wollen - aus humanitären Gründen zum Einen (man fürchet um sein Leben) und weil sie Garbi mögen.

Der junge Kurde lebt seit acht Jahren in Deutschland, bei seinem Onkel in Lilienthal. Der hat ihn vor fünf Jahren mit einem gleichaltrigen kurdischen Mädchen verheiratet. Dieser Verbindung entstammen zwei Kinder - die Ehe allerdings ist gescheitert. Dies sei unter anderem ein Grund dafür, das Garbi von seiner Familie als Abtrünniger verstoßen wurde, erzählte sein Betreuer Süleyman Boybeyi und kommt damit zum ersten Grund, warum Garbi seiner Meinung nach nicht abgeschoben werden darf: Er wüsste gar nicht, wo er in der Türkei leben sollte. Außerdem drohe ihm als Abtrünnigem sogar Gefahr durch die eigene Familie.

Damit aber nicht genug. Es sei davon auszugehen, dass Garbi sofort nach seiner Ankunft in der Türkei zunächst verhört und dann zum Militärdienst eingezogen werde, um auf seine kurdischen Landsleute zu schießen, malt Boybeyi ein düsteres Bild von der Zukunft seines Schützlings. Kritik übt der Sozialarbeiter auch daran, dass Garbi "doppelt bestraft" wurde. Wegen seiner kriminellen Taten (unter anderem Ladendiebstahl und Körperverletzung) sei er verurteilt worden und zusätzlich wird er auch noch abgeschoben. Dabei würden viele Ausländer durch die soziale Benachteiligung in Deutschland erst in die Kriminalität getrieben. Und das Trauma, das durch die Abschiebepraxis entstehe, werde Garbi zeitlebens verfolgen.

Auch seine Freundinnen und Freunde fürchten um Garbis Leben. Sie erinnern in einem Flugblatt an das Schicksal Süleyman Aksoys, der nach der Abschiebung zwei Tage lang von der Flughafenpolizei verhört und anschließend direkt den Militärbehörden in Ankara übergeben wurde. Drei Monate später, heißt es in dem Flugblatt, wurde seiner Familie sein Leichnam überstellt. Er habe Selbstmord begangen, hieß es. Dagegen allerdings sprach, dass die Eltern eine völlig verstümmelte und entstellte Leiche vorfanden, nachdem sie den Sarg gegen die behördliche Anordnung geöffnet hatten.

Auch der in Bremen ansässige Internationale Menschenrechtsverein hat sich des Falles Garbi Yildirim angenommen. Und die von dort herausgegebene Presseinformation liest sich fast genauso wie das Flugblatt. Auch die Menschenrechtler fürchten um Garbis Leben und fordern dazu auf, am morgigen Sonnabend an einem Demonstrationszug teilzunehmen, der um 13 Uhr vom Ziegenmarkt in der Hansestadt los marschieren soll. Eine erste Protestaktion, an der rund 40 Personen teilnahmen, gab es bereits am Montag vor der Ausländerbehörde in Osterholz-Scharmbeck.

Christian Mayer, einer von Garbis Freunden, unterstützt den jungen Kurden nach besten Kräften. Mayer ist einer der Selbstverwalter im Alten Amtsgericht, und auch Garbi gehörte zu dieser Gruppe, gestaltete eine zeitlang einen Tag in der Jugend-Einrichtung. Das, so Mayer, musste er allerdings aufgeben, weil er zwischenzeitlich einen festen Job gefunden hatte, der ihm dafür keine Zeit mehr ließ.

Klaus Fricke, der das Alte Amtsgericht leitet, zu der Sache aber nur als Privatperson Stellung beziehen wollte, war über die Entwicklungen im Fall Garbi informiert, hat auch mit ihm gesprochen und ihm seine Hilfe angeboten. Allerdings habe der junge Mann gedacht, er würde auch so irgendwie aus der Sache rauskommen. Ein Irrglaube, wie sich jetzt zeigt.

Garbi Yildirim sitzt in Abschiebehaft in der Justizvollzugsanstalt Hameln, wartet täglich darauf, in den Flieger gesetzt zu werden, der ihn in eine ungewisse Zukunft bringt. Ob er Angst hat vor den Verhören durch die türkische Flughafen-Polizei? Anzunehmen ist es. Und viel wird er auch nicht erzählen können - Türkisch spricht er nämlich nicht. Thomas Heuberg