taz Berlin, lokal, Nr. 5912 vom 14.8.1999, Seite 22

Polizeivideos stützen Anklage nicht

Aufnahmen der Polizei von der Besetzung des israelischen Generalkonsulats belegen nicht Beteiligung der Angeklagten. Unklarheit herrscht über von Kurden gemachtes Video

Die mit Spannung erwartete erste öffentliche Vorführung dreier Polizeivideos zum sogenannten Sturm des israelischen Generalkonsulats haben die Vorwürfe gegen die vier Angeklagten nicht verfestigen können. Die drei Videos wurden gestern beim größten Prozess gegen vier Kurden vor dem Berliner Landgericht gezeigt.

Die teils sehr blutigen Aufnahmen bilden vor allem das Geschehen vor dem israelischen Generalkonsulat am 17. Februar ab: Bei der versuchten Besetzung der Vertretung hatten israelische Sicherheitsbeamte vier Kurden, eine Frau und drei Männer, erschossen. Zugleich belegt eines der drei Bänder, dass damals auch von kurdischer Seite ein Video gedreht wurde. Dies war unmittelbar nach der Besetzung des Konsulats von Kurden immer wieder bestätigt worden. Auch heute noch behaupten manche, das Video werde von der Polizei unter Verschluss gehalten. Nach Auskunft der Justizpressestelle hat die Polizei tatsächlich nach dem Video geforscht, es aber bis heute nicht auftreiben können.

Die vier angeklagten Männer im Alter von 27 und 22 Jahren waren von den Israelis angeschossen worden und laut Anklage deshalb offenbar direkt an der sogenannten Erstürmung des Konsulats beteiligt. Der Hauptvorwurf gegen die vier lautet: schwerer Haus- und Landfriedensbruch.

Die Videos, die gestern im Landgericht zu sehen waren, wurden teilweise bereits ausgestrahlt - brisant sind vor allem die wenigen Aufnahmen, die eine kurdische Menge auf der Zugangstreppe zum Konsulat zeigen. Mit dem Rücken zur Eingangstür stehen etwa ein Dutzend Kurden auf der Treppe, als in schneller Folge etwa acht Schüsse zu hören sind, worauf die Kurden in Panik die Treppe herunterstürzen. Diese Bilder hatten bereits vor Monaten die von israelischer Seite stets vertretene Notwehrthese erschüttert.

Doch auch die zwei weiteren Polizeivideos können nach erster Ansicht nicht belegen, dass die Angeklagten zu den Kurden gehörten, die auf der Treppe standen oder in das Konsulat stürmten. Die Aufnahmen deuten zumindest an, dass sich Kurden tatsächlich mit Gewalt Eintritt in das Konsulat verschafft haben - von kurdischer Seite war das zeitweise bestritten worden: Auf den Videos ist eine herausgerissene Eisenstange zu sehen, die als Türsicherung diente.

Zugleich zeigt ein Video die Leichen von Sema Alp und Mustafa Kurt. Sie liegen, inmitten von roten PKK-Fahnen, nebeneinander auf einem Absatz einer Treppe zum Keller. Nach Auskunft der Israelis wurden die Toten während der Besetzung dorthin geschafft, um Kurden, die noch im Konsulat waren, nicht durch den Anblick der Getöteten zu erschüttern und um die Lage nicht zu verschärfen. Zu sehen ist, wie die beiden Leichen in weiße Plastiksäcke gehoben und die Treppe hinauf geschleppt werden: Sema Alps halbe Brust ist dabei entblößt, in dem Mund Mustafa Kurts steckt noch eine Kanüle.

Alper Baba vom kurdischen Kulturzentrum am Mehringdamm zeigte sich nach dem Prozess erschüttert über die Bilder. Man sei "brutal" mit den Leichen verfahren. Empört äußerte sich Baba zudem über die Tatsache, dass auf einem Video ein lachender Polizist zu sehen ist. Der Prozess wird am Dienstag fortgesetzt. Philipp Gessler