Berliner Zeitung, 11.08.99

PROZESSE

Bewährungsstrafen

Das Berliner Landgericht hat bisher zwei Kurden wegen schweren Landfriedensbruchs verurteilt. Vier weitere Verfahren laufen.

Zwei Jahre Haft auf Bewährung erhielt ein Kurde, der mit einem Knüppel auf einen Beamten losgegangen war. Das Gericht hielt ihn wegen einer Bewusstseinsstörung nach Folterungen in der Türkei für vermindert schuldfähig.

Neun Monate Haft auf Bewährung war das Strafmaß für einen Kurden, der mit einem Knüppel aufs Konsulatsgelände gestürmt war. Die Staatsanwalt legte dagegen Revision ein.

Das Amtsgericht Tiergarten verurteilte einen Kurden wegen Beteiligung an den Krawallen auf dem Rathenau-Platz zu neun Monaten Haft auf Bewährung. Die Staatsanwaltschaft prüft, ob sie dagegen in Berufung geht.

Berliner Zeitung, 11.08.99

Vier Kurden wegen Landfriedensbruchs angeklagt

Die Demonstranten waren vor dem israelischen Generalkonsulat angeschossen worden

Von Sabine Deckwerth

Izzet A. hat einen Bauchdurchschuss erlitten, Adil D. wurde im rechten großen Zeh getroffen, Ahmed A. im linken Oberschenkel, Zülküf U. im rechten Oberschenkel - die vier Kurden, die seit dem gestrigen Dienstag vor der 38. Großen Strafkammer des Berliner Landgerichts stehen, waren alle durch Schüsse von israelischen Wachleuten getroffen worden. Die Staatsanwaltschaft schließt in erster Linie aus ihren Verletzungen, dass die Männer am 17. Februar gegen 13.30 Uhr gewaltsam mit anderen den Zaun um das Gebäude des israelischen Generalkonsulats überwanden, sich auf der Eingangstreppe zusammendrängten und versuchten, in das Haus einzudringen. Denn nur auf dem Gelände des Konsulats ist den Ermittlungen zufolge von israelischen Sicherheitsleuten geschossen worden.

Bei der Erstürmung des Konsulats starben vier Kurden. Zwölf weitere wurden durch Projektile verletzt. Alle Verletzten klagte die Staatsanwaltschaft nicht vor dem Amtsgericht, sondern vor der höheren Instanz, dem Landgericht, an. "Aus politischen Gründen", sagen die Verteidiger der vier Angeklagten. Sie habe den Verdacht, sagte Anwältin Regina Götz, dass die deutschen Behörden mit den Anklagen vor dem Landgericht ihre eigenen Fehler verschleiern wollten, die sie durch die "mangelnde Sicherung des Konsulats" begangen hätten.

Die Staatsanwaltschaft wirft den vier Angeklagten schweren Landfriedensbruch vor. Dieser Tatbestand ist dann erfüllt, wenn andere Personen durch Gewalttätigkeiten in Todesgefahr gebracht werden. Dies kann mit einer Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren geahndet werden. Die vier Angeklagten wollten sich bislang nicht zu den Vorwürfen äußern. Der Prozess ist bis Ende November terminiert. Am kommenden Freitag soll ein Video gezeigt werden, das angeblich die verletzten Kurden bei der Flucht aus dem Garten des Konsulats zeigt.