Neue Züricher Zeitung, 11.08.1999 

Ankara ruft Iran zum Kampf gegen die PKK auf 

Neues Friedensangebot Öcalans

Ankara, 10. Aug. (ap) Die Türkei hat Iran aufgerufen, den kurdischen Rebellen keinen Unterschlupf mehr zu gewähren und koordinierten Militäraktionen gegen die Freischärler auf beiden Seiten der gemeinsamen Grenze zuzustimmen. Der Kampf gegen die Rebellen der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) bildete das Hauptthema der am Dienstag in Ankara aufgenommenen Gespräche zwischen den beiden Ländern über Sicherheitsfragen. Ankara wirft Iran vor, PKK-Kämpfer auf seinem Gebiet zu beherbergen und auch die radikalislamische Opposition in der Türkei zu unterstützen. Teheran hat beide Vorwürfe zurückgewiesen. «Wir reagieren sehr empfindlich auf dieses Thema», hatte der türkische Ministerpräsident Ecevit am Vorabend der Gespräche erklärt.

Wie der türkische Privatsender NTV berichtete, legte die türkische Seite der iranischen Delegation Dokumente und Luftaufnahmen vor, welche die Präsenz der Rebellen in Iran belegen sollen. Nach Ansicht von Ecevit hat Iran den Platz Syriens eingenommen. Syrien hatte während Jahren kurdischen Untergrundkämpfern aus der Türkei Unterschlupf gewährt und sie in Lagern in Syrien und Libanon ausbilden lassen. Vor dem Beginn der Gespräche hatte die Regierung in Teheran am Montag zwei türkische Soldaten freigelassen, die bei einem Angriff auf iranischem Gebiet gefangengenommen worden waren. Die iranische Nachrichtenagentur Irna bezeichnete die Freilassung als eine Geste des guten Willens. Die Türkei hatte erklärt, die Soldaten hätten sich auf iranisches Gebiet verirrt. Die Grenzverletzung sei nicht beabsichtigt gewesen.

Istanbul, 10. Aug. (Reuters) Laut den Worten des inhaftierten PKK-Chefs Abdullah Öcalan wollen die Kämpfer der PKK endgültig die Waffen niederlegen, wenn die Türkei Verhandlungen anbietet. Öcalan liess dies am Dienstag durch seine Anwälte mitteilen. Der wegen Hochverrats zum Tode verurteilte Öcalan hatte seine Anhänger in der vergangenen Woche aufgefordert, sich ab dem 1. September aus der Türkei zurückzuziehen. Die PKK will den Aufruf befolgen. Verhandlungen mit der PKK hatte Ministerpräsident Ecevit am vergangenen Donnerstag zum wiederholten Male abgelehnt. Am Dienstag sprachen sich auch andere türkische Politiker gegen solche Gespräche aus. Der Chef der rechtsradikalen Nationalistischen Aktionspartei, Devlet Bahceli, sagte in Ankara, kein Rechtsstaat der Welt könne mit einem Mann verhandeln, der von einem unabhängigen Gericht mit dem härtesten Urteil bestraft worden sei. Der Vorsitzende der Mutterlandspartei und Koalitionspartner Ecevits, Mesut Yilmaz, erklärte, es sei Zeit für die Türkei, den Südosten des Landes wirtschaftlich zu entwickeln. Öcalan spiele dabei aber keine Rolle.