Kölner Stadt-Anzeiger, 7.8.99

Nach Öcalans Friedensappell 

PKK will ihre Kämpfer aus der Türkei abziehen

"Aufruf zur Waffenruhe ein Wendepunkt" - Positive Reaktion Ankaras verlangt

Von Gerd Höhler Athen - Im Kurden-Konflikt zeichnet sich möglicherweise eine entscheidende Wende ab. Der Friedensappell des zum Tode verurteilten PKK-Führers Abdullah Öcalan hat in der Spitze der Organisation ein positives Echo gefunden. Die PKK-Führung erklärte gestern, sie werde den Aufruf zur Waffenruhe befolgen und ihre Guerillas aus der Türkei abziehen. In einem Schreiben, das im Istanbuler Büro der französischen Nachrichtenagentur AFP einging, erklärte der Führungsrat der PKK, er unterstütze Öcalans Appell "voll und ganz". Der PKK-Chef hatte seine Kämpfer aufgerufen, bis zum 1. September die bewaffnete Revolte zu beenden. Der PKK-Führungsrat, ein im Februar nach Öcalans Festnahme geschaffenes Gremium, betonte nun, von jetzt an würden alle Aktivitäten der Organisation von Öcalans Erklärungen ausgehen. Sein Aufruf markiere einen "Wendepunkt in der Geschichte des kurdischen und des türkischen Volkes" und die größte Chance für Demokratie und Frieden in der Türkei. Alle Unterorganisationen der PKK würden darauf hinarbeiten, Öcalans Appell "einfühlsam, verantwortungsbewusst und diszipliniert" umzusetzen. Im selben Atemzug forderte die PKK-Führung allerdings auch eine "positive und korrekte Haltung" der Regierung in Ankara, ohne jedoch zu präzisieren, was damit gemeint sein könnte. Ankara solle mit "Einfühlungsvermögen, Verantwortungsbewusstsein und Respekt" reagieren. Die Türkei müsse sich zu Reformen entschließen. Eine Reihe von Fragen bleibt freilich offen. So ist unklar, wohin sich die PKK-Rebellen zurückziehen können und ob sie ihren bewaffneten Kampf nur vorübergehend oder endgültig einstellen wollen. Ungewiss ist auch, ob der Führungsrat wirklich für die gesamte PKK und für alle Kommandeure des militärischen Arms der Organisation sprechen kann. Die türkische Zeitung "Sabah" meinte: "Eigentlich bedeutet der Aufruf: Versammelt euch im Irak und Iran und wartet auf meinen Befehl." Für einen dauerhaften Frieden und für ein Ende des Krieges reiche das nicht. Die Türkei reagierte zunächst negativ. Präsident Süleyman Demirel schloss jeden Kompromiss mit den kurdischen Rebellen aus und sagte: "Der Staat braucht keine Hilfe zur Beendigung dieses Kampfes." Ministerpräsident Bülent Ecevit hatte am Vortag ablehnend auf Öcalans Appell geantwortet. Zugleich forderte Generalstaatsanwalt Vural Savas für den Berufungsprozess gegen Öcalan erneut die Todesstrafe gegen den PKK-Führer. Das Berufungsgericht tritt Anfang September zusammen.