Yahoo, 6. August 1999, 21:32 Uhr

Verfassungsschutz reagiert nicht auf neue Haltung der PKK

«Tagespolitische Ankündigungen» - Beckstein sieht Risiko von Attentaten in Deutschland unvermindert

Berlin (AP) Das Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln sieht in dem Waffenstillstandsaufruf des zum Tode verurteilten PKK-Führers Abdullah Öcalan keinen Anlass zur Entwarnung in Deutschland. Nach Informationen der «Berliner Morgenpost» (Samstagausgabe) werden die Aktivitäten zur Beobachtung der PKK unvermindert fortgesetzt. Der bayerische Innenminister Günther Beckstein sagte am Freitag in München, das Risiko von Attentaten in Deutschland bestehe weiter.

Eine Sprecherin des Bundesamts sagte dem Berliner Blatt: «Der Verfassungsschutz reagiert nicht spontan auf solche tagespolitischen Ankündigungen. Wir haben den Gesamtkontext zu sehen: Die PKK bleibt eine extremistische Organisation.» Erst wenn sich eine Änderung der tatsächlichen Sicherheitslage feststellen lasse, werde man über eine Änderung des Vorgehens entscheiden können.

Gegenwärtig bestehe dazu allerdings überhaupt kein Anlass, zumal es beim niedersächsischen Verfassungsschutz offenbar neue Erkenntnisse über mutmaßliche PKK-Aktivitäten im Drogenhandel gebe. «Tatsache ist: Die PKK ist die größte extremistische Ausländerorganisation im Bundesgebiet. Sie ist schlagkräftig und straff durchorganisiert», sagte die Sprecherin. In Deutschland seien rund 11.000 Personen in 22 PKK-Kadergruppen organisiert. «Hinzu kommt ein erhebliches Sympathisanten-Umfeld.»

Beckstein meinte, der Appell Öcalans an die Kurdische Arbeiterpartei, sich aus der Türkei zurückzuziehen, werde nicht zu einem verstärkten Zustrom von PKK-Anhängern nach Deutschland führen. Betroffen seien in erster Linie Irak und Iran.

Die Zahl von Gewalttaten der PKK nahm von Januar bis Juni 1999 in Bayern zu, wie aus dem Halbjahresbericht des Landesamtes für Verfassungsschutz hervorgeht. Dennoch sei der Freistaat im Vergleich zu anderen Ländern von PKK-Aktionen «nur am Rand betroffen gewesen», sagte der Minister. Insgesamt hätten ausländische Extremisten in Bayern im ersten Halbjahr 13 Gewalttaten verübt, elf mehr als im Vorjahreszeitraum.

Die Zahl rechtsextremistisch motivierter Gewalttaten ist nach Angaben Becksteins in den ersten sechs Monaten von 19 auf 27 gestiegen. Die Zunahme gehe vor allem auf das Konto von Skinheads. Erschreckend sei die Brutalität der Angriffe, die sich vorwiegend gegen Ausländer und Punks richteten.