Berliner Zeitung, 6.8.99

Ankara hat die Chance zu einem Frieden

Von Sigrid Averesch

Selbst von der türkischen Gefängnisinsel Imrali aus scheint der Einfluss des zum Tode verurteilten Chefs der Kurdischen Arbeiterpartei PKK, Abdullah Öcalan, auf seine Gefolgsleute ungebrochen zu sein. Die PKK folgte am Donnerstag dem Friedensappell ihres Führers. Sie werde den bewaffneten Kampf einstellen und sich ab September aus der Türkei zurückziehen, erklärte sie. Noch sind die Worte Absichtserklärungen. Doch lässt manches darauf schließen, dass eine Mehrheit in der PKK erkannt hat, dass der Konflikt in Südostanatolien nur mit politischen Mitteln zu lösen ist. So werden PKK-Aktivisten intern schon seit geraumer Zeit auf die neue Linie vorbereitet. Auch die Appelle, auf Anschläge zu verzichten, weisen darauf hin.

Die Erklärung der PKK sollte deshalb als Angebot verstanden werden, das die türkische Regierung nicht von vornherein ausschlagen, sondern mit Gegenangeboten testen sollte. Ankara kann aus einem solchen Schritt nur politische Vorteile ziehen. Wird der Bürgerkrieg beendet, so sind notwendige innenpolitische Reformen leichter durchzusetzen. Zudem wächst mit der Einleitung eines Friedensprozesses für die Türkei die Aussicht, beim Helsinki-Gipfel in den Kreis der EU-Beitrittskandidaten aufgenommen zu werden. Diese Chancen sollte die türkische Regierung nicht durch Härte und Kompromisslosigkeit verspielen.