jw, 5.8.

Griechenland und Türkei nahmen nach langer »Funkstille« Dialog auf.

Ankara mit Vorbedingungen Strittige Fragen ausgeklammert

Nach langer Zeit »Funkstille« zwischen Athen und Ankara ging Ende Juli die erste Phase eines neuen Dialogs auf Beamtenebene zu Ende. Aus der griechischen Hauptstadt hörte man dazu, daß bei den Gesprächen, abwechselnd in Ankara und Athen, ein »gutes Klima« geherrscht habe. Man weist aber zugleich darauf hin, daß bei dieser ersten Begegnung zwar interessante Themen, aber nicht die erstrangigen - wie die Auseinandersetzung über die Ägäis und die Zypernfrage - behandelt wurden. Noch zwei Phasen der Gespräche sollen folgen, die erste davon Mitte September, wobei die jetzt besprochenen Punkte in Kommissionen konkreter diskutiert werden. Im Ergebnis sollen dann in der abschließenden dritten Phase Vertreter der entsprechenden Ministerien beider Länder teilnehmen und Verträge unterzeichnen. Die Fragen, die im Juli behandelt wurden und bei denen eine »erste Annäherung« erfolgt sein soll, betreffen die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Wirtschaft, des Handels, des Tourismus und des Umweltschutzes. Es wurden »Ideen« über die Beteiligung griechischer Firmen am Prozeß der Privatisierung in der Türkei sowie der Kooperation von Firmen beider Länder, um an den Möglichkeiten des »Stabilitätspaktes« auf dem Balkan teilzunehmen, erörtert, heißt es in eingeweihten Kreisen in Athen. Auch eine Zusammenarbeit zur Bekämpfung von Schlepper- Organisationen, die politische oder wirtschaftliche Flüchtlinge nach Griechenland bringen, bei der Bekämpfung des Rauschgiftschmuggels und des Terrorismus wurde mit »annähernden Vorstellungen« besprochen. Mit Erleichterung wird hier vermerkt, daß die türkische Seite selbst das Thema der in Griechenland aufgenommenen Kurden »vorsichtig und nicht aggressiv« vorbrachte, um »das gute Klima nicht zu stören«. Es ist selbstverständlich, daß die demokratische Öffentlichkeit in Griechenland - und man hofft auch für die Türkei das gleiche - diese Schritte lebhaft begrüßt. Sie weiß die Notwendigkeit und die Bedeutung des Dialogs - vor allem zwischen »Erzfeinden« - zu schätzen. Und man wünscht sich selbst für die angesprochenen beschränkten Bereiche vollen Erfolg. Nichtsdestoweniger wird der Optimismus über die Möglichkeit einer tatsächlichen Annäherung - geschweige denn einer Bereinigung der heiklen Fragen zwischen Athen und Ankara - durch andere Fakten der jüngsten Zeit gedämpft: Am 24. Juli vor 25 Jahren war in Griechenland nach dem Sturz der Militärdiktatur die parlamentarische Demokratie wieder hergestellt worden. Gerade dieses Datum haben drei muslimische Parlamentsabgeordnete und 13 Organisationen aus dem griechischen Westthrakien zum Anlaß genommen, um in einem Brief an den Parlamentspräsidenten und die Führer der parlamentarischen Parteien in Athen die »Anerkennung einer türkischen und einer makedonischen Minderheit« zu fordern. Die Parlamentarier sind griechische Staatsbürger türkischer Abstammung. Der Brief (Titel: »Öffentlicher Appell zur Anerkennung ethnischer Minderheiten«) hat in der politischen Landschaft des Landes ziemlichen Wirbel verursacht. Denn die griechische Regierung erkennt die Minderheit in Westthrakien zwar als eine religiöse (moslemische), nicht aber als ethnische Minderheit an. Was soll nun diese Forderung und warum gerade zur gleichen Zeit mit dem griechisch-türkischen Dialog? Was steckt dahinter? Viele denken darüber nach, ohne es auszusprechen. Premier Kostas Simitis erklärte auf eine entsprechende Frage von Journalisten: »Die Politik der Regierung in dieser Frage (der türkischen Minderheit) ist bekannt, konstant und unveränderlich.« Die Kommunistische Partei erklärte: »Wir sind für die Rechte aller Minderheiten; daß sie ihre Rechte beanspruchen sollen, zusammen mit dem Rest der Bevölkerung des Landes, in dem sie leben. Sie sollen aber aufpassen, daß sie nicht mißbraucht werden von Kräften, die keine Tränen vergießen für die Minderheiten ... Die neue Doktrin der NATO benutzt die Probleme der Minderheiten, um zu plündern, Märkte aufzuteilen und die Staatsgrenzen zu verändern.« Der Zeitpunkt und die Hintermänner dieser Bewegung, hinter denen auch türkische Kreise vermutet werden, ist demnach beachtenswert und paßt nicht zum »guten Klima« des Dialogs. Genau 25 Jahre ist es auch her, daß die türkische Armada den Nordteil Zyperns besetzte. Der damalige und jetzige türkische Ministerpräsident heißt Ecevit, ein Sozialdemokrat türkischer Prägung, der (AP-Foto: ... die Militärs hinter sich hat) eigens vor zwei Wochen, am 20. Juli, auf dem Flughafen Tympae landete und später im besetzten Teil der Hauptstadt Nikosia vor den Besatzungstruppen und den türkischen Zyprioten die Bedeutung der Okkupation für die Türkei hervorhob. Dort unterstrich er, Voraussetzung für griechisch-türkische Gespräche auf Präsidentenebene sei die Anerkennung der nordzyprischen Republik. Eine Föderation als Lösung des Problems wird es nicht geben. Das einzige, was in Frage käme, wäre eine Konföderation, also zwei Staaten. Dies lehnen aber die griechischen Zyprer sowie Athen strikt ab. Sie bemühen sich um eine Wiederherstellung der Einheit Zyperns als unabhängiger, föderativer und entmilitarisierter Staat. Georgios Moraitis, Athen